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Fallende Schatten

Titel: Fallende Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gemma O'Connor
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er, nahezu unbewußt, immer noch mehr Gründe zutage, sich seiner zu entledigen. Reynolds hatte allem Anschein nach nicht einer einzigen Person über den Weg laufen können, ohne sich einen neuen Feind zu machen.
    Die wenn auch noch so geringe Aussicht, diesen willkürlichen Mord Mrs. Brennans »Jungen im braunen Anzug« anzuhängen, löste sich in nichts auf, als Lily Sweetman die leere Patronenhülse fand und Sergeant O'Keefe gab. Aus Gründen, die er für sich behielt, ging O’Keefe der Frage, woher Lily wußte, wo die Patrone versteckt war, jedoch nie eingehender nach. Sie leugnete beharrlich, »den Jungen« gesehen zu haben, und ließ sich durch nichts davon abbringen. Als er am Sonntagnachmittag, ungefähr sechsunddreißig Stunden nach dem Mord, endlich dazu kam, sie zu fragen, ob sie einen gewissen Myles McDonagh kenne, erklärte sie ganz einfach, von dem hätte sie nie etwas gehört. Und das war – in gewisser Hinsicht – auch wahr, fand sie, denn es war das erste Mal, daß sie seinen Nachnamen hörte. Bis dahin hatte sie ihn lediglich unter seinem abgekürzten Namen, Milo, gekannt.
     
    Zum ersten Mal hatte sie ihn letzten Sommer an einem sehr heißen Tag gesehen, als der kleine Jimmy einen Anfall bekommen hatte und auf der Straße umgefallen war. Er hatte vor Heaneys Laden gesessen, während sie drinnen Milch kaufte. Sie rannte hinaus und schrie nach Hilfe, aber niemand wollte ihn anfassen. Bis der große, hagere Junge aus dem Buchladen des alten Handl auf der anderen Straßenseite kam und Jimmy aufhob.
    »Wir bringen ihn ins Krankenhaus«, erklärte er einfach so. »Ins St. Ultan. Kennst du das? Das Kinderkrankenhaus, ganz oben am Kanal. Kannst du so weit laufen?« Er warf einen zweifelnden Blick auf ihre alten Schuhe.
    »Ja.« Kaum brachte sie das Wort heraus, so sehr war sie von Dankbarkeit erfüllt.
    »Wir müssen Mr. Handl Bescheid sagen«, meinte er. Der alte Mann, der im Laden saß, erklärte, er solle seine Schürze ausziehen und sich auf den Weg machen. Er versprach abzuschließen, falls sie nicht rechtzeitig zurückkämen. Lily fand, er sehe Gottvater ziemlich ähnlich, nur lächle er ein bißchen freundlicher.
    Der Junge trug Jimmy den ganzen Weg, und es war sehr, sehr weit dorthin. Gut über eine Stunde brauchten sie, aber sie marschierten in einträchtigem Schweigen bis zur Baggot-Street-Brücke so dahin; dort schaute er zu ihr hinunter und fragte sie, wie sie heiße.
    »Lily. Ein wunderschöner Name«, sagte er und hatte damit ihr Herz gewonnen. »Ich bin Milo.«
    Als sie beim Krankenhaus anlangten, hatte Jimmy seinen Anfall überstanden. Die Krankenschwester, die ihn untersuchte, erklärte, es wäre in Ordnung, wenn sie ihn wieder mit nach Hause nähmen, sofern sich dort jemand um ihn kümmere, aber man solle ihn jede Woche zur Behandlung hierher bringen.
    »Du bist nicht die Mammy, oder?« wollte sie wissen. Lily schämte sich so sehr vor Milo, daß sie purpurrot anlief und betete, der Boden möge sich vor ihr auftun und sie verschlingen.
    Natürlich brachte sie ihn nie wieder dorthin. Sie schaffte es nicht, ihn den ganzen Weg selber zu tragen. Außerdem hatte sie Angst, die würden ihn ihr wegnehmen. Behaupten, sie könne sich nicht richtig um ihn kümmern.
    An jenem Tag brachte Milo sie den ganzen Weg zurück bis nach Hause, direkt vor die Haustür. Es war ungeheuer demütigend für sie, daß sie ihm nicht einmal eine Tasse Tee oder so anbieten konnte. Sie schämte sich viel zu sehr, als daß sie ihn mit die Treppe hinaufsteigen und das schreckliche alte Loch sehen lassen hätte, in dem sie hausten.
    »Paß auf dich auf, Lily«, sagte er, »und auf das Kerlchen da.« Er war großartig, fand sie. Die Art, wie er alles so angenehm und leicht erscheinen ließ.
    »Was diese rechthaberische alte Krankenschwester gesagt hat, kannst du vergessen. Du kümmerst dich prima um deinen kleinen Bruder, wirklich.«
    Und in dem Augenblick wußte sie, sie würde ihn immer lieben; wegen der freundlichen Art, wie er sichergehen wollte, daß sie wußte, er glaubte ihr. An jenem Tag ging er mit einem flüchtigen Winken weg, sprang in langen Sätzen die Straße Richtung Sandymount entlang.
    Sie stürmte die Treppe hinauf und nahm immer zwei Stufen auf einmal, verfrachtete Jimmy auf die Matratze und kletterte gerade noch rechtzeitig zu ihrem Ausguck hinauf, um zu sehen, wie er am Ende der Straße nach links abbog. Er schlug genau den Weg ein, auf dem Buller Reynolds immer nach Hause gegangen war.
    In den

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