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Fallende Schatten

Titel: Fallende Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gemma O'Connor
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Augenblick ihre Aufmerksamkeit auf sich; lässig lehnte er an einem Grabstein in der Nähe und spannte einen riesigen schwarzen Schirm auf. Er schien äußerst interessiert an der kleinen Gemeinde neben dem Grab, wo ebenfalls einige Regenschirme geöffnet wurden. Einer wurde über den in eine Soutane gekleideten Priester gehalten, unter einen anderen drängten sich drei ältere Damen. Ein wenig rechts von ihnen stand ein groß gewachsener, hagerer grauhaariger Mann mit gebeugtem Kopf etwas abseits.
    Zuerst nahm man den feinen Sprühregen kaum wahr, aber binnen kurzem war die verstreute Gemeinde gründlich durchnäßt. Routiniert brachte der Priester die Feier rasch zu Ende, und nach einer kurzen, verlegenen Pause trotteten die Trauergäste dem Ausgang zu; nur eine schlanke junge Frau blieb neben dem offenen Grab stehen. Sie hatte den Kopf geneigt und schien den Regen nicht zu spüren.
    Nach einigen Minuten drehte Nell Gilmore sich um und fuhr sich mit der Hand über ihre nassen Haare. Sie machte einen verwirrten Eindruck, ihr intelligentes Gesicht wirkte erschöpft und blaß. Nell war ungefähr dreißig, mittelgroß, hatte sehr blaue Augen und blonde, im Nacken zu einem Knoten geschlungene Haare. Sie war eher eindrucksvoll als hübsch. Ihr von hellen Sommersprossen gesprenkeltes Gesicht war tränenüberströmt. Sie trug einen langen marineblauen Regenmantel mit großer, weicher Kapuze. Ihre schwarzen Pumps waren völlig durchweicht.
    Kaum hatte die Gruppe das Tor erreicht, als der Beobachter entschlossen in Neils Richtung steuerte, sich jedoch schnell zurückzog, als ein Mann mittleren Alters, der einen bunt gestreiften Regenschirm umklammerte, sich von der Gruppe löste und zu der jungen Frau zurück eilte. Der Beobachter beugte sich nieder und ordnete die Blumen auf einem angrenzenden Grab. Ein älterer grauhaariger Mann humpelte an dem Mädchen vorbei. Sie schien ihn nicht wahrzunehmen.
    »Sehen wir Sie zu Hause, Nell?« fragte der Mann mit dem bunt gestreiften Regenschirm schüchtern. Er sah verlegen drein und sprach mit englischem Akzent. Die zu kleine irische Kappe auf seinem Kopf wirkte derart grotesk, daß sie beinahe gelacht hätte.
    Nell nickte hastig und winkte ihn weg. »Ja, selbstverständlich. Ich komme gleich nach, aber ich muß erst noch zum Küster.«
    Der Mann zögerte, und es war wahrhaft ein grotesker Anblick, wie er unschlüssig schwankte, ob er es riskieren sollte, ihr seinen Schirm anzubieten und naß zu werden, oder so schnell wie möglich zu seinem Wagen laufen sollte.
    Das Mädchen unterdrückte ein Lächeln. »Ich bin mit meinem eigenen Auto da, vielen Dank. Gehen Sie ruhig voraus.«
    Dann rief sie ihm nach: »Der Mann da vor Ihnen wäre vielleicht ganz froh um einen Schirm, er ist schon tropfnaß. Fahren Sie zum Haus voraus. Unsere Nachbarin, Mrs. Dwyer, ist dort. Richten Sie ihr aus, ich komme, sobald ich kann.«
    Sie wandte sich um, warf einen letzten Blick auf das Grab und nahm flüchtig den Beobachter wahr, ehe eine plötzliche Windbö sie zur Seite drückte. Sie stemmte den Kopf dagegen und schüttelte ihre Kapuze; Regentropfen rannen ihr übers Gesicht. Dann beschleunigte sie ihren Schritt und ging auf die kleine Kapelle zu.
    Der Beobachter wartete, bis sie darin verschwunden war, dann ging er rasch zum Tor und schlüpfte auf den Rücksitz eines schwarzen Mercedes, der am Randstein wartete.
    »Und?«
    »Er war da.«
    »Nicht nur er«, kam die Antwort. Eine kurze Pause folgte. Dann: »Hat er mit ihr gesprochen?«
    »Nein, er ist noch mal zurückgegangen, um ihr anzubieten, sie im Auto mitzunehmen, aber sie hat abgelehnt, hat erklärt, sie sei mit ihrem eigenen Wagen da. Der rote Renault-Clio auf der anderen Straßenseite.«
    »Hat sie ihn erkannt?«
    »Ich glaube nicht, sie hat offenbar seinen Namen nicht gewußt.«
    »Wie das?«
    »Oh. Sie wissen schon, Mr., hm, Arthur. Einfach so. Ich bin ziemlich sicher, sie hatte keine Ahnung, wer er war.«
    »Hm. Sie bleiben in ihrer Nähe?«
    »Ja.«
    »Zumindest etwas. Was ist mit ihm?«
    »Er ist mit den übrigen alten Freunden von ihr zum Haus. Ich werde das Mädchen aushorchen.«
    »Gut. Sind Sie sicher, was Arthur betrifft?«
    »Ich weiß es nicht. Ich kann nicht beide im Auge behalten, oder? Jedenfalls, wenn ich ihn nachher verfehle, wir wissen ja, wo er wohnt.«
    »Stimmt. Jetzt zischen Sie besser los, sie muß jeden Augenblick da rauskommen.«
    »Hervorragendes Timing. Schaun Sie sich mal den Scheißregen an.«
    »Na und, worauf warten

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