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Fallende Schatten

Titel: Fallende Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gemma O'Connor
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»Hör mal, wenn du das nicht machen willst, brauchst du es nur zu sagen, Maria.«
    »Habe ich das etwa gesagt? Habe ich vielleicht gesagt, ich würde das nicht erledigen? Manchmal versteh ich dich einfach nicht, Nell. Dieser Kerl ist einen Dreck wert. Ich habe dir angeboten, zu dir zu kommen. Warum hast du mich nicht gelassen?«
    »Aus dem gleichen Grund, aus dem ich Davis nicht in meiner Nähe haben wollte, Maria, ich wollte das alleine hinter mich bringen. Ehrlich, das ist nicht persönlich gemeint, es ist nur, na ja, es ist irgendwie etwas ganz Privates. Ich weiß nicht, wie ich es anders ausdrücken soll. Hast du die Liste?«
    »Ja, hab alles notiert.«
    Für ein paar Tage steckte ich das Telefon aus. Ich redete mir ein, der Grund dafür sei, weil ich vermeiden wollte, daß Hanion mich belästigte. Was beweist, welch Durcheinander in meinem Kopf herrschte. Oder vielleicht fuhr ich einfach meine Selbstschutzantennen aus. Irgendwann hatte ich offenbar beschlossen, meine Beziehung mit Davis eine Zeit lang auf Eis zu legen. Und der brachte es immer fertig, mich umzustimmen. Außerdem wollte ich nicht, daß Maria weiter auf mir herumhackte. Sie hatte einen wunden Punkt getroffen.
    Die Hitzewelle, die uns für den einen Tag der Beerdigung eine kurze Erholungspause gegönnt hatte, setzte am nächsten Tag, wie um sich zu rächen, verstärkt wieder ein. Da mein altes Zimmer winzig und stickig war, zog ich nach ein paar Nächten, in denen ich mich unruhig hin und her gewälzt hatte, in das Zimmer meiner Mutter um.
    In diesen heißen Nächten verfolgte Lily mich in meinen Träumen. Ich hatte ein seltsames, fiebriges Gefühl, sie auf irgendeine Weise, die ich nicht näher beschreiben konnte, im Stich zu lassen. Gelegentlich kam es mir so vor, als sei sie schon vor langer Zeit weggegangen, oder Teil eines halb vergessenen Lebens. Untertags konnte ich es nicht fassen, wie schnell sie aus meinem Denken schwand. Ich mußte die Augen schließen und mich konzentrieren, um ihr Gesicht oder ihre Art zu gehen heraufzubeschwören.
    Ganz anders nachts. Ich sah ihre Kleider, aber sie tanzten durch meine Träume, ohne daß eine Gestalt sie ausgefüllt hätte; die leeren Ärmel flatterten wie Fledermausflügel, und die Röcke wirbelten durch die Luft. Dann wurde ein zufälliger Blick auf eine Fernsehreklame für Persil, in der bunte Wäsche auf einer Leine im Wind flatterte, mein Albtraum. Jedes Kleidungsstück umhüllte ihren toten, schlaff herunterbaumelnden, übel zugerichteten Körper.
    Die kaum aufkeimenden Zweifel hinsichtlich ihres Todes nahmen allmählich zu, als die Erinnerung an jene geflüsterte, abscheuliche Anklage in meinem Kopf pochend widerhallte: »Ich glaube, Ihre Mutter wurde auch ermordet.«
    Eines Tages rief ich auf dem Polizeirevier an und fragte unter dem Vorwand, für einen Zeitschriftenartikel Fälle von Fahrerflucht zu untersuchen, wie man bei derartigen Ermittlungen vorging.
    »Das ist ziemlich schwierig«, lautete die Antwort, »und wir müssen dabei mit äußerster Umsicht vorgehen, außer es liegt sehr aussagekräftiges Beweismaterial vor, oder wir haben Zeugen, um die Anklage zu stützen.« Als die Fragen des Beamten immer gezielter und meine Antworten immer ausweichender wurden, legte ich auf. Mir war jetzt klar, es war die Hitze, die mir zusetzte; es war lachhaft, zuzulassen, daß das Geschwafel eines Irren und eines Möchtegernganoven mein Denken zerrüttete. Fahrerflucht schien mir gar nicht so verschieden von vorsätzlichem Mord. Das Ergebnis war genau das gleiche: die gedankenlose Auslöschung eines Lebens. Wer auch immer das getan hatte, ich wollte ihn mit eigenen Händen umbringen.
    Wem hätte etwas daran liegen können, Lily Gilmore zu ermorden? Eine durchschnittliche ältere Witwe, die in einem Vorort ein ruhiges Leben geführt hatte, bescheiden, aber stilvoll. Die am Killiney-Strand hinter einem Windschutz zusammen mit ihren Freundinnen recht gerne eine Partie Whist gespielt hatte, während auf einem kleinen Primuskocher Tee siedete und ein Gläschen Whiskey bereitstand. Die mit Wonne ins Kino gegangen war und von jedem nur denkbaren amerikanischen Musical eine Kassette im Haus und in ihrem Auto gehabt hatte. Die sich nie damit begnügt hatte, ein Geschäft aufzusuchen, wenn sie den Einkaufsbummel auf drei ausdehnen konnte. Die fromm jeden Sonntag zur Messe gegangen war. Oder fast jeden Sonntag. Die sich jeden Donnerstag ihren Lotterieschein gekauft hatte. Die auf einem eleganten, rosafarben

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