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Fallende Schatten

Titel: Fallende Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gemma O'Connor
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mehr als die Polizei? Was, zum Teufel, bilden Sie sich eigentlich ein?« Ich brach in Tränen aus und rannte hinaus.
    Ich weiß nicht, was er anschließend gemacht hat, und es war mir auch egal. Ich war bereits die Patrick Street halb hinuntergerannt, ehe ich mich genügend beruhigt hatte, um etwas langsamer zu gehen. Die Leute starrten mich an. Meine Bluse war vorne mit Kaffee getränkt. Ich hielt meine Handtasche darüber und rieb mir die Augen.
    Der Mann war vollkommen verrückt. Ich fragte mich, ob es wohl seine Gewohnheit war, sich unter Trauergemeinden zu mischen. Wahrscheinlich erregte ihn das irgendwie. Ich bauschte diese Begegnung viel zu sehr auf. Dieser Mensch war eine erbärmliche, traurige Gestalt. Ich hatte von Leuten gehört, die bei Hochzeitsfeiern hineinplatzen. Derlei passiert anscheinend laufend. Vielleicht war dies eine Variation des Themas. Ich zwang mich, nicht mehr zu hyperventilieren, und war wieder einigermaßen bei Sinnen, als ich beim Haus ankam.
     
    Und dann sah ich endgültig rot. Cormac Hanion lehnte an der Eingangstür und rauchte eine Zigarette. Er trug eine Leinenhose und ein hellblaues Hemd mit aufgekrempelten Ärmeln. Völlig kaltschnäuzig stand er da, unter den Arm einen Strauß weiße Rosen geklemmt. Als er mich sah, richtete er sich zu voller Größe auf und streckte mir fröhlich die Blumen hin. Ich schaute durch ihn hindurch.
    »Nell, tut mir schrecklich leid, aber mein Wagen ist abgeschleppt worden. In der Stadt, vor Buswell’s. Ich war nur ein paar Minuten da drinnen. Diese verdammte übereifrige Politesse. Hat Ewigkeiten gedauert, bis wir das geklärt hatten. Als ich schließlich hier eingetrudelt bin, waren Sie weg. Auf der Suche nach Ihnen bin ich ganz Dun Laoghaire abgefahren. Tut mir wirklich leid. Trinken wir zusammen einen Kaffee – bitte?«
    Ich ließ ihn abblitzen, war einfach nicht in der Stimmung für ihn oder seine Blumen. Im hellen Tageslicht wirkte er bei weitem nicht so anziehend, wie er mir am Tag zuvor unter seinem teuren Regenschirm vorgekommen war. Jedenfalls, seine Idee, die Beerdigung der armen Lily als Vorwand für eine Anmache zu nutzen, schien mir grotesk, und ich schämte mich gründlich, daß ich ihn ermutigt hatte. Mehr als schäbig kam ich mir vor. Schlimmer noch, ich fühlte mich ausgenutzt und beschmutzt. Ich schob mich an ihm vorbei.
    »Ein andermal«, fuhr ich ihn an. »Ich muß gleich weg.« Ich öffnete die Tür und trat ins Haus.
    Er schubste einen Zettel mit einer daraufgekritzelten Telefonnummer durch den Türspalt. Ich nahm ihn überhaupt nicht zur Kenntnis und wollte die Tür zuknallen.
    »Geben Sie mir Bescheid, wenn Sie das nächste Mal rüberkommen? Bitte?« schmeichelte er. »Bitte. Es tut’mir so leid wegen des Mittagessens. Vergeben Sie mir?« Richtig bescheuert sah er aus. Und ich auch.
    »Ich bin kommende Woche in London. Könnten wir uns dann treffen?« fragte er und nutzte so die Gunst des Augenblicks. Aus irgendeinem angeborenen Argwohn heraus gab ich ihm meine Büro- und nicht meine Privatnummer. Ich hatte nicht vor, mit ihm auszugehen, aber mir war schleierhaft, warum er sich ausgerechnet um eine Bekanntschaft mit mir bemühte. Ich wollte wissen, warum.
    Geschmeichelt fühlte ich mich nicht; mir war vielmehr äußerst unbehaglich zumute. Als er gegangen war, saß ich lange, sehr lange reglos in Lilys Schlafzimmer.
     
    Elf Tage waren seit dem schrecklichen Unfall vergangen. Am achtundzwanzigsten Juli hatte man mich gebeten, umgehend nach Dublin zu kommen; es war der dritte Tag eines zweiwöchigen Urlaubs in Pollença, an der Nordküste Mallorcas, gewesen. Wir waren gerade vom Strand zurückgekommen und um die Wette gerannt, wer es als erster zur Dusche schaffte, als das Telefon geklingelt hatte.
    »Geh du ran«, hatte mein Freund Davis gelacht, als er an mir vorbeigerannt war. »Das ist bestimmt dein verdammtes Büro. Du lernst es nie, was? Wenn du Urlaub machst, dann mach auch wirklich Urlaub. Delegiere«, brüllte er durch die Badezimmertür.
    Mir war klar gewesen, er war verärgert. Recht hat er ja, hatte ich mir überlegt, als das Telefon erneut geschrillt hatte. Ich erinnere mich, wie zögerlich ich den Hörer abgenommen hatte, als hätte ich irgendwie die schlimme Vorbedeutung erkannt. In meiner Erinnerung klang das Läuten durchdringend, bedrohlich. Vor Erleichterung hatte ich sogar gelacht, als ich Marias Stimme hörte. Maria Walker ist meine beste Freundin. Sie und ihr Mann Steve sind vor kurzem in die Wohnung

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