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Fallera

Fallera

Titel: Fallera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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bot allen Ernstes an, sich mit mir zusammen für die nächsten Monate einschneien zu lassen, kann man sich das vorstellen?«
    Zumindest Dreadlocks, tröstete ich mich, hatte ich keine.
    »War der Ansicht, eine schutzlose Frau alleine könnte das unmöglich durchstehen.«
    Das einzige Problem, das ich bisher ausmachen konnte, war ihre offensichtliche Lust am Verbreiten ihres Gedankenguts. Mit wem wollte sie sich den ganzen Winter über austauschen? Aber dann dachte ich: Strom hat sie. Also hat sie wahrscheinlich auch Telefon. Aus irgendeinem Grund beruhigte mich der Gedanke. Denn ich habe sie aus der Isolationshaft kommen sehen, die ganz Harten. Mit diesen toten Augen. Nein, Austausch ist wichtig. Hätte ich das die letzten dreizehn Monate für mich selbst beherzigt, sie hätten vielleicht anders ausgesehn. Hätte .
    »Er wollte und wollte nicht gehen, es war echt gruselig. Zum Schluss musste ich ihn mit vorgehaltener Signalpistole verscheuchen. Alle drei Leuchtraketen habe ich ihm noch hinterhergejagt und konnte mich zwanzig Minuten später vor einer Hubschrauberbesatzung der Bergrettung dafür verantworten. Und gestern steht hier doch tatsächlich ein Umweltschützer auf der Matte und will mir einen Vortrag über die Schädlichkeit des Goldschürfens halten!«
    Nicht eine Frage hatte ich bisher gestellt, und trotzdem bekam ich so langsam ein Bild. »Dem habe ich dann ganz genau das Gleiche gesagt wie all diesen anderen Idioten und wie ich es jetzt auch dir sage: Du hast es bis hier rauf geschafft, also schaffst du es auch wieder runter. Und zwar noch in diesem Augenblick!«
    »Ich komme nicht von unten«, wandte ich ein.
    »Und nichts von dem, was du sagst, wird mich umstimmen. Raus hier, und zwar pronto! Ich habe in den letzten zwei Wochen jedes denkbare Argument gehört, jede Form von schwachsinnigem Gefasel, die man sich vorstellen kann. Raus hier und zurück ins Tal, augenblicklich!«
    Ihr Finger deutete, unmissverständlich wie die Worte, zum Ausgang.
    »Was hast du gesagt?«, fragte sie dann und nahm den Finger runter.
    »Ich komme von oben«, sagte ich.
    Sie sah mich an, als ob sie sich zu erinnern versuchte, wo sie ihre Signalpistole verstaut hatte.
    »Ich bin einer von zehn einer ehemals fünfzehn Mann großen Bergtour«, erklärte ich hastig, bevor sie mich für einen eingebildeten Himmelsboten halten konnte. »Die furchtbar in die Hose gegangen ist. Komplizierte Umstände haben mich von den anderen getrennt. Und in die Höhle hier bin ich durch nackten Zufall geraten. Draußen schneit und windet es wie bescheuert, und dunkel wurde es auch, da habe ich mich einfach an der Wand entlanggetastet, und plötzlich war da diese Zeltbahn und . tja«, brach ich ab. Hier war ich, aber das war ja unübersehbar.
    ». und hier bist du«, grollte sie. »Das sagen sie alle:
    >Und dann habe ich diesen Zeitungsartikel gelesen<«, äffte sie jemanden mit Winselstimme nach, »>und dann habe ich mir dies gedacht und dann jenes und, tja: Hier bin ich.<« Eine tiefe Falte trennte ihre Brauen. »Mir egal ist alles, was ich dazu sage. Genauso wenig wie irgendeiner von den anderen wirst du auch hier bleiben. Hast du das kapiert?«
    »Klar doch«, sagte ich und machte kehrt. Es war nicht so kalt da draußen, knapp unter null, schätzungsweise, und wenn ich mich irgendwo in eine Nische kauerte, raus aus dem Wind, würde ich die Nacht schon irgendwie überstehen. Und selbst wenn nicht. Alles war besser, als mich mit diesen Winslern in einen Topf werfen zu lassen. Wer bin ich denn. Ich zog mir die Fäustlinge über und die Kapuze dicht. Trat an die Zeltbahn.
    Und tschüs, dachte ich. Zicke.
    »Warte«, sagte sie.
    Aah, dachte ich.
    Ich steckte meine Nase hinaus in die stiebende Flockenpracht. Nie in meinem Leben hatte ich mir vorgestellt, dass ich das mal als eine Bedrohung empfinden könnte. Wir Städter sind so.
    »Hast du denn keinen Rucksack, gar keine Ausrüstung dabei?«
    Wortlos zeigte ich ihr meinen Strick. So ein Winter ist lang, dachte ich mir. Und wo Kryszinski schon mal da ist .
    Vielleicht hat sie ja irgendwo ein bisschen Äther .
    »Hier«, meinte sie. »Der dreadlockige Fanatiker, den ich mit Gewalt zum Gehen überreden musste, hat seinen ganzen Krempel hiergelassen.« Sie deutete auf ein Monster von einem voll gepackten Gestellrucksack, wie ich es zuletzt an einem amerikanischen Weltreisenden gesehen hatte.
    »Und wenn du dich draußen links hältst, immer an der Wand lang, sind es ziemlich genau hundert Schritte bis

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