Fallera
über beziehungsweise zurecht, während Mona sich ebenso kapriziös wie geschickt in eine Wolldecke zu wickeln verstand, dann stellte ich sie alle einander vor. Und nahm die Gang in Augenschein.
Mittlerweile war es nach Mitternacht, und sie hatten einiges auszustehen gehabt. Man sah es ihnen an. Selbst der rundliche Egon fing an, hohläugig und ausgezehrt zu wirken.
Mona drehte die drei elektrischen Heizkörper hoch, und ich half allen aus den Daunenklamotten, bevor der davon abtropfende Schnee die ganze Höhle unter Wasser setzte.
Dann versuchten Mona und Christine gemeinsam, den Blutkreislauf in Frau Doktors gefühllos gewordenen Gliedmaßen wieder in Gang zu bekommen, während die Jungs und ich ein paar Dosen Linsensuppe köpften, in einen Topf leerten und den dann ordentlich Hitze spüren ließen.
Wo ich schon mal am Köpfen war, rupfte ich auch gleich noch einen Korken raus, und als ich so in die Runde fragte, wer denn eventuell auch ein Gläschen . war es Frau Doktor Marx, die als Erste die Stimme hob und sich Rotwein in hohen Dosen als geeigneten Beschleuniger der Blutzirkulation verschrieb. Nur aus Nickeligkeit riet ich dringend davon ab, beschrieb im Detail die zusätzlich auskühlende Wirkung der Gefäßerweiterung durch Alkohol und für wie kontraproduktiv ich das gerade bei einer geschwächten Konstitution wie der von Frau Doktor hielte, bis Mona und Christine mich gemeinsam angrollten und ich mich grummelnd auf die Suche nach dem winzigsten aller vorhandenen Trinkgefäße machte.
Schon über der Suppe bekamen sie alle mächtig schwere Lider, und obwohl ich mich großzügig bereit fand, ihnen trotz des Wetters den Weg bis zur Mine zu zeigen, wischte Mona meinen Vorschlag beiseite und bestand darauf, dass alle die Nacht in der geheizten Höhle verbringen sollten.
»Das hast du jetzt davon«, sagte ich zu ihr, als Alfreds
Schnarchen von den Wänden widerhallte und Christine gerade die erste Hörprobe vom Horror ihrer Träume gegeben hatte.
Sie schalt mich herzlos und schlief ohne Probleme ein, während ich noch eine Weile wach lag und mich fragte, wie es jetzt weitergehen sollte. Mit mir, mit uns, mit uns allen.
Mit dem Mörder da draußen.
Sie hätte es so gewollt, sagte ich mir, nachdem ich mit einem Anflug von Gewissen erwacht war. Kim hätte gewollt, dass ich weitermache und nicht, dass ich mich zerfleische, bis ich mir endlich meine eigene Fahrkarte ins Reich der Schatten gelöst habe. Genau. Sie hätte gewollt, dass ich lebe.
Vorsichtig setzte ich mich auf. Ein Rundblick im diffusen Schein der einsamen Birne zeigte, dass alles noch schlief. Alfred ganz bestimmt. Um das festzustellen, brauchte es weder Birne noch Rundblick. Was meine Aufmerksamkeit auf die akustischen Wahrnehmungen lenkte, und zwar zu einer Abwesenheit aus ihrer Mitte. Frühmorgendliche geistige Schärfe ist meine Sache nicht, und so brauchte ich einen Moment, bis ich begriff, was fehlte: Es war das Heulen von draußen. Das Flappen der schweren Zeltleinwand. Die Geräusche des Sturms.
Auf Socken machte ich mich auf zum Eingang und latschte als Erstes in eine der von den Daunenjacken abgetropften Schmelzwasserpfützen. Verhalten fluchend zog ich mir den voll gesogenen Wollstrumpf vom Fuß und wrang ihn aus, als Stimmen an mein Ohr drangen. Stimmen von draußen. Weiter weg und undeutlich, aber Stimmen ganz sicher.
Die Bergwacht! war, was mir als Erstes durch den Kopf schoss, womit wieder mal demonstriert wäre, wie viel Wunsch doch in unserem Denken steckt.
Hoppla, dachte ich. Und was, wenn's nicht die Bergwacht ist?
Wollte ich gerade noch armwedelnd und auf Socken ins Freie stürmen und >Hier sind wir!< brüllen, so dachte ich im nächsten Moment schon an Monas Leuchtpistole und wie wenig sie mir nutzen würde, vor allem ohne Munition.
Die Stimmen kamen näher. Ein vorsichtiger Blick könnte nicht schaden, doch als ich an die Zeltbahn trat und sie ein Stück zurückzog, fiel Schnee herein, und als ich vorsichtig an dem Stoff rüttelte, noch mehr Schnee. Aber kein Licht. Der Eingangsbereich der Höhle war komplett zugeweht worden. Die Stimmen kamen näher .
Mit vier langen Schritten war ich über Alfred, schüttelte ihn wach und bedeutete ihm mit eindringlichen Gesten, leise zu sein.
Noch mal vier lange Schritte brachten mich zurück zum Eingang, wo ich mich auf die Zehenspitzen stellte, um da zu lauschen, wo die Schneedecke am dünnsten sein musste: oben, wo die Zeltbahn unter die Höhlendecke geschraubt worden
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