Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz
Speicher für überschüssiges Getreide vorgesehen war. Als der nördliche Teil der Stadt vor über achtzig Jahren vergrößert wurde und ein neues Ballungsgebiet der Gewerke entstand, wurde die Lagerhalle nicht mehr gebraucht. Das Gebäude roch muffig, und sogar jetzt noch waren die Risse in den Dielen voll mit verschimmeltem Mehlstaub. Warlock konnte hören, wie Ratten ihnen aus dem Weg flitzten, als Boots ihn durch die Dunkelheit in die Haupthalle führte, wo die Mehrzahl der herrenlosen Streuner sich häuslich eingerichtet hatte.
Der Raum stank nach anderen Caniden, die sich in kleinen Gruppen ohne erkennbare Ordnung über den gesamten riesigen Speicher verteilt hatten. Argwöhnische Blicke folgten ihnen durch die düstere Halle, und mehr als ein Canide fletschte die Zähne in Warlocks Richtung, als sie vorübergingen.
Schließlich erreichten sie die Mitte der Lagerhalle, wo sich eine große Gruppe Crasii versammelt hatte. Warlock fragte sich zunächst, ob dort eine Art Versammlung abgehalten wurde, doch dann bemerkte er die Welpen und die große Anzahl von stillenden Müttern in der Runde und begriff, dass es sich nur um ein weiteres Familienrudel handelte, wenn auch ein bemerkenswert großes.
»Rex?«, rief Boots, als sie am Rand des Rudels stehen blieben. »Ich habe jemanden mitgebracht, den du kennenlernen musst.«
Ein Kopf tauchte aus der Dunkelheit auf und sah sich mit leuchtenden, neugierigen Augen um. Er entdeckte Boots, lächelte und stand auf. Der Crasii war klein für einen Caniden, kaum größer als eine Felide, und außerdem hässlich. Warlock versuchte, ihn nicht anzustarren. Er selbst kam aus einer Welt, wo kurzes Haar bevorzugt wurde, das Fell so glatt, dass Menschen aus der Entfernung nicht sagen konnten, ob man Haut hatte oder Fell. Rex war das genaue Gegenteil. Er war braun und schwarz, hatte keine eindeutige Zeichnung, und er war geradezu anrüchig zottelig. Sein Schwanz war kurz und beinahe unbehaart. Es war kein Wunder, dass er hier im Elendsviertel als herrenloser Streuner lebte. Kein menschlicher Hausstand würde einen Crasii mit so einer unübersehbaren Missbildung behalten.
»Donnerwetter!« Er kicherte, als er Warlock sah. »Boots hat einen neuen großen Knochen zum Spielen gefunden!«
»Er ist der, dem ich folgen sollte«, erklärte sie geduldig.
»Und da bringst du ihn hierher?«, fragte der Crasii, schüttelte einige Welpen ab, die an seinen Schienbeinen hochklettern wollten, und trat aus dem Kreis der Caniden hervor. »Er ist vermutlich ein Spitzel, der von der Wache geschickt wurde, um uns auszuspionieren.«
»Ich bin kein Spion«, verwahrte sich Warlock und fletschte die Zähne.
Rex lächelte ihn an. »Beruhige dich, Großer. Wenn Boots denkt, dass du in Ordnung bist, dann bist du es vermutlich. Obwohl … wenn man bedenkt, wie sie momentan duftet, könnte sie auch mit dem falschen Körperteil gedacht haben«, fügte er nachdenklich hinzu und drehte sich zu Boots um.
»Er hat eine fürstliche Begnadigung«, teilte sie Rex mit und überging seine derbe Anspielung. »Er sagt, die Wachleute haben ihn eingesperrt und den Fürsten zur Wache geholt, um die Begnadigung zu bestätigen.«
»Und wie geht es Seiner Gnaden so?«, erkundigte sich Rex mit einer hochgezogenen Augenbraue. »Ist ’ne Weile her, dass er und ich das letzte Schätzchen hatten.«
»Ich habe ihn noch nie zuvor gesehen. Ich kannte nur seine Gemahlin.«
Rex runzelte die Stirn. »Ach, dann ist Boots wohl nicht die Einzige, die einen großen Knochen zum Spielen gefunden hat.«
»Lady Desean würde so etwas niemals tun«, erklärte Boots scharf.
Warlock sah sie überrascht an. »So hast du nicht geredet, als wir uns kennenlernten. Da hast du durchblicken lassen, dass du denkst, die Fürstin und ich …«
»Ich habe bloß deine Glaubwürdigkeit geprüft«, unterbrach sie ihn. »Jeder Crasii, der behauptet, die Fürstin von Lebec zu kennen, muss wissen, dass sie auf unserer Seite ist. Bei den Gezeiten! Sie sorgt dafür, dass Nahrung an die Armen verteilt wird, und manchmal kommt sie sogar selbst hier in die Slums, um zu helfen. Wenn du behauptet hättest, dass sie dich zum Poussieren benutzt hat, wärst du jetzt schon tot.«
»Aber woher konntest du wissen, dass ich die Wahrheit sage?«
»Ich bin im Palast von Lebec aufgewachsen«, erklärte sie. »Ich kenne Lady Desean. Und Fürst Stellan.«
Warlock hatte dieses Mädchen eindeutig unterschätzt. »Was tust du dann hier?«
»Sic zu kennen, sogar sie zu
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