Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz
Tenatien Schließlich war ich ein Spion. Meine Tarnung erforderte den Anschein, dass ich das bizarre Vorhaben, eine halb tierische Sklavenrasse zu erschaffen, rückhaltlos unterstützte und zu allem bereit war, was der Sache diente.
Ich habe Euch ja gewarnt, dass dies nicht gerade die ehrenhafteste Zeit meines Lebens war, oder?
Ich verstand nur zu gut, warum sie Angst hatten, dass die Kunde nach Torlenien drang. Eine so heikle Geschichte konnte Medwens Kummer über den Verlust ihres längst verstorbenen Kindes in rasenden Zorn verwandeln, und das würde auch Brynden und Kinta nicht kalt lassen. Brynden ist ein mächtiger Gezeitenfürst und immer geneigt, für die gute Sache einzutreten, wobei es ihn nicht allzu sehr kümmert, wie viele gewöhnliche Menschenleben das kostet. Ich will keineswegs behaupten, dass Syrolee oder die anderen sich auch nur einen Deut darum scherten, an Menschenleben zu sparen. Aber Kriege sind chaotisch und teuer, und es geht viel kaputt. Also missdeutet unsere Zurückhaltung nicht, sondern seht sie als das, was sie war – Eigennutz.
Wir bemühen uns sehr, Kriege zu vermeiden, weil sie unpraktisch sind.
Ich hatte meine eigenen Gründe, zu hoffen, dass die Nachricht nicht nach Torlenien durchsickerte. Immerhin war ich vor zwei Dekaden hierhergekommen, um meinen Freunden Informationen zu beschaffen, aber nie damit zu ihnen zurückgekehrt.
»Wir?«, wiederholte Arryl. »Seit wann ist dies denn unser Problem, Tryan? Ihr habt doch diese Katastrophe zu verantworten, ihr und eure kranken Experimente – in der Natur herumpfuschen, nur um zu gucken, was für Kreaturen man erschaffen kann.« Plötzlich wandte sie sich an mich. »Was ist mit dir, Cayal? Willst du danebenstehen und zusehen, wie sie ein unschuldiges Kind ermorden?«
Ich zuckte die Achseln und wünschte, ich hätte genug Umsicht gehabt, mich aus dieser Debatte herauszuhalten. Hätte ich doch Syrolees Aufforderung, im Thronsaal zu erscheinen, ignoriert! Rückblickend hätte ich das unbedingt tun sollen. »Bist du in letzter Zeit mal auf einer Crasii-Zuchtfarm gewesen? Da kommt es kaum noch drauf an – ein toter Sterblicher mehr oder weniger, was soll’s?«
»Aber das hier ist keine Crasii-Magie!«, beharrte Arryl. »Fliss ist keine willkürliche Kreuzung zweier Arten. Sie ist eine Gezeitenwächterin! Dieses Kind – das übrigens die Tochter von einem von euch sein muss – hat nur ein Verbrechen begangen, nämlich dass es versucht hat, das Richtige zu tun.«
»Dieses Kind hat dreizehn Leute getötet, Arryl«, mahnte Syrolee.
»Das waren Arks, und es hat außerdem jedem Sterblichen in unserem Gefolge das Leben gerettet, vergiss das nicht!«
Syrolee schüttelte ungeduldig den Kopf. »Die Sterblichen, die Fliss gerettet hat, sind unmaßgeblich. Das Kind droht alles zugrunde zu richten, wofür wir gearbeitet haben. Cayal hat da ganz recht. Die Menschen glauben, dass die Gezeitenfürsten, und nur die Gezeitenfürsten, die Gezeiten lenken können, und unsere ganze Macht beruht auf dieser Annahme. Wenn sich herumspricht, dass eine Sterbliche diese Fähigkeit besitzt, ist unser Ansehen ernsthaft untergraben.«
Ich war versucht, daraufhinzuweisen, dass es vermutlich weit mehr Schaden anrichtete, wenn sich herumsprach, dass keineswegs alle Gezeitenfürsten die Gezeiten lenken konnten, aber ich beschloss, meinen Mund zu halten. Es war schon schlimm genug, dass ich überhaupt hier war. Ich hatte keinen Bedarf, diesen Fehler zu verschlimmern, indem ich mich vollends in die Auseinandersetzung verstrickte.
»Das mag dir jetzt läppisch vorkommen, Arryl, aber wenn wir dieses verflixte Kind nicht töten – was, im Namen der Gezeiten, sollen wir dann mit ihm anstellen?«, warf Jaxyn ein.
»Wir töten es«, verkündete die Kaiserin der Fünf Reiche. »Und dann untersuchen wir die anderen Kinder im Hort und töten alle, die solche Fähigkeiten aufweisen. Lasst uns das gleich aus der Welt schaffen.«
Syrolee sah uns einzeln nacheinander an, bis alle nickten. Selbst Arryl stimmte am Ende zu. Sie hat ein mitfühlendes Herz, aber wenn es hart auf hart kommt, beugt sie sich unweigerlich Syrolees Wünschen und wird es vermutlich auch immer tun. Ich schätze, Dialas Gründe lagen etwas anders. Das Schicksal von Fliss bekümmerte sie in Wahrheit nicht sehr. Sie genoss bloß die Möglichkeit, mit Syrolee zu streiten, wann immer sich eine Gelegenheit bot.
»Damit bleibt nur die Frage, wer es tun soll«, sagte Tryan.
»Ich mache es!«, meldete sich
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