Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz
er zog sie hoch.
»Wie ich sehe, geht es Euch ungeachtet Eures Martyriums recht gut, Euer Gnaden?«
»Es war alles sehr … aufschlussreich«, sagte sie und zwang sich, gerade zu stehen. Sie wollte um Cayal weinen, sie wollte schreiend weglaufen, aber selbst wenn sie dazu in der Lage gewesen wäre, gab es keinen Ort, wo sie hinkonnte.
Jaxyn musterte sie neugierig. »Vielleicht war die Maid ja längst nicht so in Not, wie sie ihren Gemahl glauben machen möchte?«
»Ich denke, dass geht nur mich und meinen Gemahl etwas an, findet Ihr nicht?«
Er wirkte amüsiert – und bemerkenswert gut gelaunt. Reagierte Jaxyn so auf Tod und Zerstörung? Gezeiten, wir stecken so schrecklich in der Klemme.
»Cayal hat Euch doch gewiss keine Prügel angedeihen lassen, Euer Gnaden? Ich frage mich, was er Euch wohl sonst hat angedeihen lassen.«
»Ihr fuhrt Euch wirklich widerwärtig auf, Jaxyn«, maßregelte sie ihn. Dann fragte sie sich, wozu sie die Fassade aufrechterhielt, dass er für sie nichts als der Liebhaber ihres Gemahls war. »Und ich habe fest vor, Stellan alles zu berichten, wenn wir nach Lebec zurückgekehrt sind. Einschließlich, wer Ihr wirklich seid. Und was Ihr vorhabt.«
Jaxyn war von ihrer Drohung ausgesprochen unbeeindruckt. »Viel Glück dabei. Das braucht Ihr nämlich, um ihn dazu zu bringen, Euch zu glauben. Er denkt sowieso schon, dass Ihr den Verstand verloren habt, Arkady. Oh ja, geht nach Hause und erzählt ihm, dass ich ein Gezeitenfürst bin, genau wie der Sträfling, dem Ihr zur Flucht verholfen habt. Das überzeugt ihn bestimmt, dass Ihr nicht zu lange in der Sonne geblieben seid.« Ohne auf ihre Antwort zu warten, wandte er sich an Maralyce. »Beim ersten Tageslicht sind wir weg, Maralyce. Versprochen.«
»Pah! Was ist dein Versprechen schon wert?«, fauchte sie und drehte ihm den Rücken zu. »Schaff die Missgeburten von meinem Grundstück, Jaxyn, und lass dich hier selber auch so bald nicht mehr blicken.«
»Blödes Miststück«, murmelte Jaxyn hinter ihr her und wandte sich wieder Arkady zu. »Ihr habt Euer kleines Abenteuer doch genossen, oder nicht?«
Sie sah ihm ruhig in die Augen und schwieg.
Jaxyn wischte sich noch mehr blutgetränkte Dreckstreifen aus dem Gesicht, dann befahl er einer der Crasii, ihm etwas zu besorgen, womit er sich waschen konnte. Die Felide eilte davon, um die Anweisung auszuführen. Jaxyn sah Arkady an. »Die Gezeiten wechseln, wisst Ihr.«
»Das sagten mir Cayal und Marafyce.«
»Wenn Ihr mich weiterhin anfeindet, werdet Ihr auf der falschen Seite stehen, wenn die Gezeitenfürsten zurückkehren und ihren rechtmäßigen Platz als Götter von Amyrantha einnehmen.«
»Und was ist die richtige Seite, Jaxyn? Die Eure?«
»Ich regiere Glaeba, ehe das Jahr um ist«, versprach er mit einer Zuversicht, die ihr unter die Haut ging. Das war nicht immer so gewesen. Früher hätte sie seinen Hochmut als Träumerei eines leichtfertigen jungen Windbeutels abgetan. Aber jetzt … nach allem, was sie gesehen und gehört hatte … »Ihr wollt mich nicht zum Feind, Arkady.«
»Ich denke, das wäre bedeutend weniger gefährlich, als Euch zum Freund zu haben, Jaxyn.«
Er sah sie im flackernden Schein der Fackeln prüfend an, dann nickte er schließlich. »So sei es denn«, sagte er mit alarmierender Endgültigkeit. »Ihr habt die Seite gewählt, auf der Ihr stehen wollt, Arkady Desean. Sagt nicht, ich hätte Euch nicht gewarnt.«
64
Wie Jaxyn es Maralyce versprochen hatte, verließ Arkady mit den Crasii und dem Gezeitenfürsten beim ersten Tageslicht die Mine. Zu Fuß kehrten sie zu dem Lager weiter unten am Pfad zurück, wo die Pferde angebunden waren. Sie saßen auf und ritten in eher gemächlichem Tempo bergab. Die Crasii gehorchten Jaxyn blind, und im Großen und Ganzen benahm er sich nicht anders als früher, bevor Arkady entdeckte, dass er ein Unsterblicher war.
Die ersten Tage war Jaxyn damit zufrieden, Arkady mit ihren Gedanken allein zu lassen, aber am Abend des dritten Tages setzte er sich nach einem kärglichen Mahl aus Käse und Pökelfleisch ihr gegenüber ans Lagerfeuer.
»Ihr wisst anscheinend immer noch nicht, mit wem Ihr es eigentlich zu tun habt, oder?«
»Doch, Jaxyn. Ich bin bloß nicht sonderlich beeindruckt.«
»Das kommt noch«, prophezeite er düster. »Dann werdet Ihr Euch wünschen, Ihr hättet mich nicht gar so verächtlich abgetan.«
»Jaxyn, es ist mir gleich, wer Ihr seid oder zu sein glaubt, weil es nichts daran ändert, was
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