Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz
ihnen gewesen. Sie war ganz die Alte. Während dieser erneute Wandel in ihrem Benehmen Warlock nicht überraschte, war er doch seltsam enttäuscht. Rein vernunftmäßig verstand er durchaus, dass der animalische Paarungstrieb seiner Art zu ihrer Erhaltung nötig war, aber sein Gefühl verfluchte aufgebracht die Unsterblichen, die seine Art so einfältig erschaffen hatten. Die Gezeitenfürsten hatten Sklaven gewollt und keinen Gedanken daran verschwendet, wohin die Gesellschaft der Caniden sich entwickeln könnte.
Warlock vermisste die Möglichkeit einer tieferen Beziehung zu einem weiblichen Wesen, und sein Herz bejammerte dies. Seine Art feierte keine Jahrestage, erkannte keinen Wert in langfristigen Beziehungen, die die Prüfungen der Zeit bestanden hatten. Es gab Anziehung zwischen ihnen und das Verlangen, sich zu vereinigen. Liebe, wie sie für Menschen existierte, war ihnen unbekannt, und Warlock fand, dass dieser Mangel die Crasii ärmer machte. Caniden hatten Freunde und bildeten Familien, um ihren Nachwuchs zu beschützen, sie arbeiteten zusammen, heirateten sogar, aber wenn die Brunftzeit kam, waren alle Bande bedeutungslos, und der stärkste Mann gewann, ganz gleich, was zuvor gewesen war und was sein könnte.
Der verstörende moschusartige Duft von Boots war tags darauf schon auffällig schwächer und nach ein paar Tagen ganz verschwunden. Die Kerle, die ihn auf der Straße angegriffen hatten, waren in den Zwinger zurückgekehrt und zeigten keinen Bedarf, den Kampf fortzusetzen, nachdem die Frau nicht länger heiß war. Wäre ihre wilde Kopulation nicht so lebendig in Warlocks Erinnerung, er hätte fast glauben können, sie sei nur Einbildung gewesen.
Jeden Tag zogen sie durch die dreckigen, dicht bevölkerten Straßen der Slums von Lebec zu Shalimars Dachkammer, wo sie täglich -mindestens einmal – schmausten wie die Edelleute. Während dieser Tafelrunden versuchte Warlock sich an alles zu erinnern, was er Cayal zu Lady Desean hatte sagen hören. Er berichtete den anderen von Gabriella und Planice, der Königin von Kordanien. Er erzählte von Arryl und Diala, Syrolee und Engarhod, Tryan und Elyssa, Krydence und Rance und dem geheimnisvollen Lukys, der sogar unter den Crasii als völliges Rätsel galt. Er sprach von den düsteren Stimmungen des Suzerain, seiner Annahme, dass Warlock höchstwahrscheinlich ein Ark war, und Cayals Versprechen – das damals so leer wirkte –, es ihm heimzuzahlen, wenn die Flut wiederkam.
Shalimar machte reichlich Notizen während dieser Gespräche und befragte Warlock anschließend aufs Genaueste über Einzelheiten, die er vielleicht übersehen oder in der ersten Erinnerung vergessen haben könnte. Warlock empfand diese Befragungen als höchst anstrengend, aber er durchlitt sie bereitwillig. Nicht nur wegen der Gelegenheit, wie ein zivilisiertes Wesen zu speisen, sondern vor allem, weil Boots bei ihm war, gespannt seiner Erzählung lauschte und zwischen Shalimars Erkundigungen Fragen einstreute, die einen scharfen Verstand und ein bemerkenswertes Auge für wichtige Einzelheiten offenbarten.
»Hat Cayal nie von der Zerstörung Kordaniens gesprochen?«, fragte Shalimar eines Nachmittags nach einer langen Sitzung mit vielen Fragen und Antworten.
Warlock schüttelte den Kopf. »Er erwähnte es nur nebenbei. Er bezichtigt Tryan, soweit ich weiß, aber er hat nie genau gesagt, was passiert ist. Ist das wichtig?«
»Zu wissen, was diese Monster umtreibt, ist immer wichtig«, sagte Shalimar und legte seine Notizen weg. »Wenn wir Muster in ihrem Verhalten ausmachen können … feststellen, was sie zu welchem Handeln bewegt … vielleicht finden wir dann einen Weg, sie aufzuhalten.«
»Noch brauchbarer für uns wäre ein Weg, sie umzubringen«, knurrte Boots, die auf dem Knochen eines Hühnchens herumkaute, das sie schon vollständig verspeist hatte. Warlock hätte gern angenommen, dass sie immer dabei war, weil sie ein Auge auf ihn geworfen hatte, obgleich der Trieb ihrer Hitze sie nicht mehr im Griff hielt, aber näher lag der Verdacht, dass sie von dem Verlangen nach gutem Essen hergetrieben wurde, so wie er.
»Da haben du und der unsterbliche Prinz ein gemeinsames Ziel. Er sucht verzweifelt nach einem Weg, sich umzubringen, glaube ich.«
»Ach, fanden wir doch etwas, um ihm bei seiner Suche zu helfen«, klagte Shalimar und reckte seine müden Schultern. Es war heiß in der Dachstube, und sein Gesicht war feucht von Schweiß, aber er kümmerte sich nicht darum. »Was
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