Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz
Wildwasser-Stromschnellen, voller Verwunderung über die Narretei der Sterblichen. Durch den Regen erkannte er verschwommen die Umrisse von Arkadys Schiff, das die Amphiden in Richtung der Stromschnellen zogen. Die Fluten waren vom Regen angeschwollen, die reißenden Strudel im gischtigen Dunst kaum zu sehen. Der kleine menschliche Seemann, der an Deck stand, hätte keine Chance gehabt, das Schiff heil durch diesen gefährlichen Engpass zu steuern. Erst die Amphiden, die vor dem Bug schwammen und das Fahrzeug in ihrer Kiellinie hielten, machten eine Passage der Wildwasserschnellen überhaupt möglich.
Was ritt bloß Arkady – oder vielleicht ihren Mann –, bei diesem Wetter den Fluss zu befahren?
Als die Wellen das Schiff immer näher an den Schlund zwischen den Felsen trieben, erwog Cayal, ob es nicht weise wäre, den Kahn einfach untergehen zu lassen. Obwohl es Wochen her war, dass er Arkady in Maralyces Hütte zuletzt gesehen hatte, fühlte er deutlich, dass an Bord dieses Schiffs die einzige Frau seit Gabriella war, die es geschafft hatte, ihm unter die Haut zu gehen.
Vielleicht war sie noch gefährlicher, weil sie keine Versprechungen gemacht hatte, die sie nicht halten wollte, Cayal nichts angeboten hatte, was sie nicht zu geben bereit war.
Auch hatte sie nie eine Gegenleistung verlangt, was sie zu der bemerkenswertesten Frau machte, der er je begegnet war.
Schon bevor er unsterblich wurde, hatte Cayal die Angst geplagt, dass Menschen – insbesondere Frauen – nur an den politischen Vorteilen interessiert waren, die seine Freundschaft ihnen verschaffen konnte. Eine Angst, die an dem Tag, an dem seine Schwester ihn verbannte, aufs Grausamste bestätigt wurde, als Gabriella ihr wahres Gesicht zeigte. Als Gezeitenfürst wurde es noch schlimmer. Trotz der unbeschreiblichen Magie, über die er zu Zeiten der hohen Flut gebot -es gab im ganzen Universum keine Macht, die wirklich ins Herz einer Frau zu schauen vermochte oder Einblick in den Geist eines Mannes gewährte.
Cayal war schon zu lange am Leben, um an die Liebe als unbefleckte reine Kraft zu glauben, die über jedes Unglück triumphiert. In seiner Welt gab es kein Glücklich-bis-an-ihr-Lebensende. Sein Blick auf die Liebe mit allem daran hängenden Gepäck war eher düster und weit zynischer. Im besten Fall war Liebe eine Entschuldigung für Dummheit, im schlimmsten ein zerstörerisches, gefährliches Gefühl, das Männer zu vernichtenden Ausbrüchen trieb, die jeder Logik spotteten. Es war ein verdrehtes, heimtückisches Empfinden, das sich missbrauchen ließ, um schlimmste Fehler zu rechtfertigen, vom Verderben eines Kindes bis zur Vernichtung ganzer Zivilisationen.
Das war es, was Arkady für ihn wirklich gefährlich machte. Er erkannte das Gefühl in sich wieder, diese Verkrampfung in seiner Brust bei dem Gedanken, sie zu verlieren. Die Qual, sie ergrauen und sterben zu sehen, während er unverändert derselbe blieb …
Die Angst, sie nie wiederzusehen …
Schlimmer, die Angst, er könnte tatsächlich einen Weg finden, sie zu gewinnen – die Flut war auf dem Weg. Es würde nicht mehr lange dauern, bis er die Welt zwingen konnte, zu tun, was er nach seiner Laune befahl, und Arkady ebenso.
Cayal schüttelte den Kopfüber seine eigene jämmerliche Vorhersehbarkeit. Schon erwog er die Weltherrschaft – nur um eine Frau zu erobern.
Das ist Liebe für dich.
Und was, wenn sie sich anders besonnen hatte? Es war mehr als ein Monat vergangen, seit sie Maralyces Mine mit Jaxyn verlassen hatte. Wenn sie ihn nun nicht mehr so begehrte wie er sie? Wenn die Erinnerung an Maralyces Kammer zu einem peinlichen Zwischenfall verblasst war, den sie lieber vergaß?
Zudem war Arkady eine Fürstin, die sich mit großer Achtsamkeit der Stellung ihres Gemahls bewusst war – und sie schützte. Dass sie sein Geheimnis seit ihrer Hochzeit bewahrt hatte, sich sogar unter ihrem eigenen Dach mit Jaxyn arrangiert hatte, war ein Beweis ihrer eisernen Loyalität. Und sie war sicherlich schnell zu ihrem Gemahl zurückgekehrt, als sie dachte, Cayal wäre besiegt …
Heilige Gezeiten! Das kann einen Mann in den Wahnsinn treiben, wenn er nur darüber nachdenkt.
Der Regen fiel noch dichter, als das Schiff auf die gefährlichen Felsengen zuschlingerte. Er hatte dieses Unwetter nicht ausgelöst. Auch wenn er seine Richtung beeinflussen konnte, hatte seine Macht noch nicht den Punkt erreicht, wo er solche Energien aus dem Nichts erzeugen und nach seinem Willen lenken
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