Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz
hatte.
Arkady nahm seine Hand und drückte sie ermutigend. »Ich erkenne dein Dilemma, Stellan. Aber meinen Teil unserer Vereinbarung kann ich nicht ohne deine Hilfe erfüllen.«
Er zögerte, dann sprach er die einzige andere Lösung aus, die ihm sinnvoll erschien. »Du könntest dir einen Liebhaber nehmen.«
Der Gedanke schien sie zu belustigen. Sie hob die Augenbraue. »Hattest du da an jemand Bestimmten gedacht?«
»Nun … natürlich nicht … ich dachte nur …«
»Und was, wenn ich mir jemanden aussuche, den du nicht magst?«
»Ziel der Übung wäre doch eher, einen zu finden, den du magst, oder nicht?«
»Das meine ich nicht, Stellan. So etwas hätte Konsequenzen, die über eine kleine Affäre hinausgehen. Könntest du den Bastard eines anderen als deinen Sohn ausgeben? Könntest du ihn Heben, als wäre es dein eigener? Würdest du ihn nicht ständig belauern, ob ihm seine Herkunft anzumerken ist? Könntest du König Enteny – deinem eigenen Cousin – ins Gesicht lügen, wenn es darum geht, wer der Erzeuger deines Erben ist?«
»Mein ganzes Leben ist eine einzige Lüge, Arkady«, erwiderte er pathetisch. »Auf eine mehr oder weniger kommt es nicht an.«
So schnell ließ Arkady sich nicht beschwichtigen, schon gar nicht von rührseligem Selbstmitleid. »Was ist mit dem Vater des Kindes? Hätte er nicht das Recht, zu wissen, dass er einen Sohn hat? Und wenn er es wüsste-und sofern errechnen kann, wird er schnell dahinterkommen –, kannst du einem Mann trauen, der mit der Frau eines anderen schläft? Kannst du das Geheimnis der wahren Vaterschaft mit ihm teilen? Und was, wenn es ein Mädchen wird? Suchen wir uns dann einen neuen Kandidaten, oder versuchen wir es noch einmal mit dem ersten?«
»Du bist eine schreckliche Rationalistin«, beschwerte er sich, als sie ihm immer weiter gute Gründe aufzählte, warum das kein kluger Plan war.
»Den Gezeiten sei Dank, Stellan«, gab sie zurück. »Du würdest uns alle zugrunde richten, wenn wir uns nur auf deine Vernunft verließen.«
»Lässt du es dir wenigstens mal durch den Kopf gehen?« »Mir einen Liebhaber zu nehmen? Ganz bestimmt nicht. Das ist viel zu gefährlich.«
»Ich schätze, dann sind wir wieder am Ausgangspunkt angekommen …«
Einen Augenblick lang betrachtete sie ihn nachdenklich. Sie verstand ihn ja. Trotzdem verwunderte es sie, dass er in einer so wichtigen Frage dermaßen unentschlossen war. Immerhin ging es um die Fortführung seiner Familie. »Wäre es denn so eine Zumutung, einmal eine Frau zu berühren, Stellan? Wir könnten es noch einmal versuchen … wenn ich dir den Rücken zukehre … wenn ich dabei keine Geräusche mache … und die Lichter aus sind …«
Er schüttelte den Kopf. »Ich kann es dir nicht erklären, Arkady.« »Na gut, ich überlege es mir«, versprach sie, wenn auch zögernd. »Aber ich bin immer noch der Ansicht, dass wir nur im äußersten Notfall einen Dritten hinzuziehen sollten.« Sie warf einen Blick auf die Uhr auf dem Kaminsims und wandte sich mit einem entschuldigenden Lächeln zur Tür. »Ich sollte nach dem Abendessen unseres Kronprinzen sehen. Und du musst aus diesen nassen Sachen raus. Können wir später weiterreden?«
Er sah sie an, wie sie in ihrem exquisiten grünseidenen Abendkleid vor ihm stand, die Hand auf der Türklinke, groß, schön, intelligent und von einer wilden Unabhängigkeit, und wünschte sich für einen Augenblick, ein Mann zu sein, der wirklich zu schätzen wusste, was er an Arkady hatte – intellektuell und körperlich. Sie hatte so viel mehr verdient, als er ihr bieten konnte, und verlangte ihrerseits so wenig von ihm. Wieder einmal erschien ihm ihr Arrangement sehr unfair. Er lächelte. »Wenn du doch nur ein Mann wärst, Arkady.« »Ach Stellan, wenn du doch einer wärst«, erwiderte sie und beugte sich vor, um ihn auf die Wange zu küssen. Dann Heß sie ihn allein in seinem Studierzimmer zurück. Dort grübelte er weiter über die grausame Laune des Schicksals nach. Warum musste die Seele der einzigen Person auf Amyrantha, die ihn wirklich verstand, ausgerechnet in einer Frau stecken, die zu berühren er sich nicht überwinden konnte?
16
Jaxyn wartete, bis er sicher war, dass der ganze Palast fest schlief, bevor er sich leise durch die weitläufigen Hallen zu Stellans Schlafzimmer aufmachte. Er wollte unbedingt mit dem Fürsten reden. Die unerwartete Ankunft von Mathu Debree beunruhigte ihn sehr. Kylias Auftauchen war schon schlimm genug gewesen. In
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