Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz
Jaxyns Plänen war einfach kein Platz für noch mehr Konkurrenten um Stellans Zuwendung, wie platonisch diese auch sein mochte. Er musste den Grund für die Anwesenheit des Kronprinzen herausfinden. Mit Sicherheit steckte etwas Dubioses dahinter, das sich irgendwie verwenden ließ.
»Arkady hatte recht«, bemerkte Stellan, der aufsah, als Jaxyn die Tür hinter sich schloss. »Du denkst einfach nicht nach, oder?«
»Das hat sie über mich gesagt?«, fragte er und überquerte den Teppich vor dem Bett. Stellan hatte sich auf der Überdecke ausgestreckt und las im Licht einer kleinen Lampe. Es war seine Gewohnheit, die Wirtschafts- und Verwaltungsbelange des Nachts aufzuarbeiten, wenn ihn niemand mehr störte. Regentropfen schlugen leise gegen das Fenster, der abendliche Nieselregen hatte sich zu einem ordentlichen Dauerregen ausgewachsen. Wahrscheinlich würde es wieder die ganze Nacht regnen, was um diese Jahreszeit in Glaeba häufig vorkam, aber noch immer konnte Jaxyn sich nicht daran gewöhnen. Das Glaeba seiner Jugend war nicht so nasskalt gewesen.
Stellan legte das Dokument zur Seite, in dem er gerade gelesen hatte. »Sie möchte, dass ich dich fortschicke, solange Mathu hier ist.« Das glaube ich gern, dachte Jaxyn. Aber er hatte durch bittere Erfahrung lernen müssen, Arkady nicht vor ihrem Gemahl schlechtzumachen. Was seine Frau betraf, war Stellan äußerst empfindlich. »Sie macht sich zu viele Sorgen um dich.«
»Und zwar mit Recht, wie ich leider einräumen muss, denn du kommst einfach mitten in der Nacht in mein Zimmer geschlichen.«
»Ich habe die Tür abgeschlossen.«
»Was deinen Besuch nur umso verdächtiger macht.«
»Warum hast du sie überhaupt geheiratet?«, fragte Jaxyn, setzte sich aufs Bett und schwang die Stiefel auf die Überdecke. Er lehnte sich gegen den Bettpfosten, nahm einen von Stellans bestrumpften Füßen und begann ihn zu massieren.
Stellan schloss die Augen und brummte genießerisch. »Wir waren in der Lage, einander einen Gefallen zu erweisen.«
»Und wie hat sie in der Hochzeitsnacht die Neuigkeit aufgenommen, dass deine Interessen … anderswo liegen?«
»Das wusste sie lange vor unserer Hochzeit. Sie hat mich einmal in den Armen eines hübschen jungen Troubadours erwischt, der vorübergehend im Palast wohnte. Seine Truppe zog weiter, und wir verabschiedeten uns gerade in der Bibliothek, als sie plötzlich hereingeplatzt kam und von mir verlangte, ihren Vater freizulassen.«
»Sie hat dich damit erpresst?«
»Kaum«, sagte Stellan und hob den anderen Fuß, damit Jaxyn ihn auch massierte. »Das war ihr ziemlich egal. Sie hat sich nur Sorgen um ihren Vater gemacht. Erst später ist mir klar geworden, was Arkady da mit angesehen hat und dass sie kein Wort darüber verloren hat. Ihr war keinerlei Missfallen anzumerken. Sie hat nie versucht, es gegen mich zu verwenden – und, bei den Gezeiten, dazu hätte sie Grund genug gehabt. Aber es schien irgendwie völlig an ihr vorbeizugehen. Ich habe noch niemanden getroffen, ob Mann oder Frau, der so auf meine wahre Natur reagierte.«
»Also hast du aus Dankbarkeit die erste Frau geheiratet, die dich nicht verurteilt?«
»Mitgefühl ist nicht unbedingt deine Stärke, mein lieber Jaxyn.«
Er lächelte. »Das macht mich ja gerade so unwiderstehlich.«
»Verdammt gefährlich macht es dich«, berichtigte ihn Stellan, aber zu Jaxyns Erleichterung sagte er es ohne große Überzeugung. »Wir werden extrem vorsichtig sein müssen, solange Mathu hier ist.«
»Und wie lange bleibt er?«
»Mindestens, bis der König im Frühsommer nach Herino zurückkehrt. Kannst du dich einen Monat lang zurückhalten?«
»Bin ich nicht immer diskret?«
Der Fürst runzelte die Stirn. »Ich fürchte, hier geht es um mehr als Diskretion. Wie meine Gemahlin heute Abend so treffend bemerkte, ist Kylia ein Unschuldslamm und Mathu das genaue Gegenteil. Wir dürfen ihm keinen Anlass bieten, die Wahrheit zu erahnen.«
»Dann sagen wir ihm doch einfach, dass ich dein Masseur bin.«
»Oh ja, Jaxyn, was für eine glänzende Idee. Völlig unverdächtig.«
Jaxyn kicherte leise. »Dann vielleicht dein Sekretär?«
»Dann müsstest du tatsächlich auch als mein Sekretär arbeiten.«
»Ach, und das geht natürlich nicht, wie?«
»Weißt du, eigentlich könnten wir ihm auch gleich die Wahrheit sagen, da wäre wirklich nichts dabei.«
»Mal ganz was Neues.«
»Du bist der Verwalter der fürstlichen Zwinger«, erinnerte ihn Stellan etwas ungeduldig. »Daran
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