Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz
töten lassen, oder nicht?«
»Das haben wir schon versucht«, sagte Stellan und sah den Prinzen über die Schulter an. »Genau darum geht es ja.«
»Ihr habt ihn töten lassen und er ist nicht gestorben?«
»Wir haben ihn gehängt, und er hat es überlebt«, präzisierte Stellan. »Wir dachten, dass er vortäuscht, wahnsinnig zu sein, um wegen Unzurechnungsfähigkeit einer zweiten Hinrichtung zu entgehen, die mit Sicherheit erfolgreicher verlaufen würde.«
»Dann hängt ihn doch einfach noch einmal auf. Damit sollte die Sache erledigt sein.«
»Mit dem caelischen Gesandten im Nacken, der sich für seinen Fall interessiert?«, fragte der Fürst kopfschüttelnd. »Unmöglich.«
»Vielleicht gäbe es eine andere Möglichkeit«, sagte Arkady vorsichtig. Sie wollte die Angelegenheit mit Cayal so schnell wie möglich aus der Welt schaffen, und sie hatte auch die Mittel dazu. Alles, was sie brauchte, war Stellans Genehmigung.
»Ich höre.«
»Cayal – wie er sich nennt – behauptet steif und fest, unbegrenzte Regenerationskräfte zu besitzen. Er schwört, dass ihm einmal ein Körperteil abgehauen wurde, das einfach wieder nachgewachsen ist. Er sagt auch, dass ein Gezeitenmagier namens Pellys einst geköpft wurde und ihm der ganze Kopf nachwuchs.«
Stellan sah sie verblüfft an. »Und? Was willst du von mir?«
»Ich möchte, dass du mit dem Präfekten sprichst. Und dem Kerkermeister. Meinst du, sie lassen mich etwas amputieren?«
Stille legte sich über das Studierzimmer, bis der Prinz sie schließlich brach. »Lady Desean, das kann doch nicht Euer Ernst sein!«
»Es ist mein voller Ernst, Hoheit.«
»Aber das ist doch … barbarisch!«
»Aber sehr wirkungsvoll. Dieser Mann ist aller Wahrscheinlichkeit nach ein caelischer Spion, der geschickt wurde, um bei uns Unruhe zu stiften. Vielleicht ist es eine Vergeltungsaktion für unsere Abweisung von Prinzessin Nyah als Eure Gemahlin. Da es Stellan war, der der caelischen Königin die Nachricht überbrachte, liegt doch nahe, dass sie etwas Derartiges hier in Lebec anzettelt. Aber so geschult dieser Mann auch sein mag, dürfte sich das Blatt doch drastisch wenden, wenn er annimmt, dass wir ihm ernstlich ein paar Finger abhacken wollen, um seine Unsterblichkeit mit eigenen Augen zu sehen.«
»Und wenn wir ihn ausliefern müssen?« Stellan wirkte weniger schockiert als Mathu, aber er kannte sie auch besser. »Wie erklären wir seine fehlenden Finger?«
»Warum sollten wir ihn ausliefern?«, fragte Mathu.
»Wenn er ein Spion ist, können wir ihn gegen einen unserer Spione eintauschen, die in Caelum inhaftiert sind.«
Die Augen des Prinzen leuchteten auf. »Wir haben Spione in Caelum?«
»Wir haben Spione in vielen Ländern, Mathu«, versicherte ihm Stellan.
Arkady seufzte, als sie erkannte, was Stellan ihr damit zu verstehen geben wollte.
Doch Mathu sah immer noch verwirrt aus. »Ich verstehe nicht.«
»Was mein Gemahl meint, ist Folgendes: Wenn es sich bei diesem Mann tatsächlich um einen caelischen Spion handelt, wird alles, was wir ihm antun, auch einem unserer Leute in Caelum widerfahren. Oder Schlimmeres.«
»Ihr meint, wir hauen ihren Spion, die hauen unseren?«
»Wir amputieren ein paar Finger, sie tun mindestens das Gleiche«, bestätigte Stellan mit einem Nicken.
»Ich bin sicher, dass es gar nicht erst so weit kommt«, beschwor ihn Arkady mit mehr Hoffnung als Überzeugung. »Kann ich es ihm denn wenigstens androhen?«
»Was soll das nützen?«
»Wenn der unsterbliche Prinz glaubt, dass er ein paar Finger einbüßt, wird sich seine Geschichte sofort ändern, davon bin ich überzeugt.«
»Und wenn er das Risiko auf sich nimmt?«
»Dann verliert er eben ein paar Finger«, meinte sie schulterzuckend.
»Ihr wollt gar nicht bluffen, nicht wahr, Euer Gnaden?«, bemerkte Mathu grinsend. »Mir war gar nicht klar, dass Ihr so herrlich brutal sein könnt, Lady Desean. Kein Wunder kann Stellan sich keinen Fehltritt leisten.«
Arkady sah Stellan verwundert an. Er lächelte. »Mathu war etwas überrascht, als ich genug Willenskraft besaß, seinen illustren Damenbekanntschaften in Herino zu widerstehen.«
»Ich bin entsetzt, dass Ihr meinen Gemahl auf Abwege führen wolltet«, erklärte sie in gespieltem Schrecken. »Stellan ist ein verheirateter Mann.«
»Das habe ich bemerkt, Lady Desean«, kicherte Mathu, den die Situation köstlich amüsierte. »Und zwar ein sehr treuer, wie ich Euch mit Freuden bestätigen kann.«
»Trotzdem. Es war sehr unartig
Weitere Kostenlose Bücher