Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz
wurde, und lächelte vielsagend. »Davon musst du nicht mich überzeugen, Kätzchen«, meinte er achselzuckend, »sondern den Bären da.«
22
Wenn es nicht regnete, nahm Arkady ihr Frühstück gern auf der Terrasse an der Rückseite des Palastes ein, die einen schönen Blick über die Gärten und den See dahinter bot. Sie liebte diesen Blick, die frische Brise, die ihr um diese Tageszeit vom Wasser um die Nase wehte, und das Gefühl, dass diese Schönheit ihr gehörte, dass sie über all dies herrschte wie eine Königin.
Am Tag ihrer Hochzeit hatte Stellan sie, nachdem alle Gäste gegangen und sie endlich allein waren, bei Sonnenuntergang auf diese Terrasse hinausgeführt. »Du bist jetzt sozusagen die Königin von Lebec«, hatte er gesagt und den Arm um sie gelegt. »Du wirst mir doch keinen Anlass geben, das zu bedauern – nicht wahr, Lady Desean?«
»Nein«, hatte sie ihm versichert. Ihr neuer Titel war noch ungewohnt. »Du hast dich an deinen Teil der Abmachung gehalten, Stellan. Ich werde mich auch an meinen halten.«
Stellans Teil der Abmachung war die Begnadigung und Entlassung ihres Vaters aus dem Gefängnis von Lebec, sobald sie verheiratet waren. Sobald alle Formalitäten erledigt waren, hatte ihr frischgebackener Ehemann direkt vom Hochzeitsempfang einen Boten mit den entsprechenden Anweisungen losgeschickt. Am Abend hatten sie immer noch auf die Nachricht seiner Entlassung gewartet. Arkadys Teil der Abmachung war, Stellan die Fassade eines glücklichen Familienlebens und schlussendlich auch einen Erben zu liefern.
Wie sich herausstellte, konnten beide ihr Versprechen nicht halten.
Denn Arkadys Vater war gestorben, noch ehe der Bote seine Entlassungspapiere überbringen konnte. Und heute, sechs Jahre später, hatte Stellan noch immer keinen Sohn, der seinen Titel erben würde – wenn auch Arkady daran keine Schuld traf.
Aber sie waren trotz allem Freunde geblieben.
Zwei Außenseiter, die nur einander haben, weil keiner sonst sie versteht, dachte Arkady oft. Schon seltsam, wie gut wir beide trotz allem zusammenpassen.
»So ganz allein, Euer Gnaden?«
Überrascht von der unerwarteten Störung sprang Arkady auf die Füße. Es war Mathu Debree, der eben die Treppenstufen vom Rasen heraufkam, und sie war froh, dass der junge Mann keine Gedanken lesen konnte. Er trug Reitstiefel und ein zerknautschtes Hemd und war heute Morgen offenbar schon eine ganze Weile wach.
»Eure Königliche Hoheit!«
»Ich bitte Euch«, drängte er, »steht doch wegen mir nicht auf, ich wollte Euch nicht beim Frühstück stören. Darf ich?«
»Natürlich.« Sie wies auf den schmiedeeisernen Gartenstuhl auf der gegenüberliegenden Seite des kleinen Tisches. »Möchtet Ihr etwas essen?«
»Ich habe längst gefrühstückt«, versicherte er ihr und setzte sich. »Heute war ich schon früh mit Eurem Gemahl unterwegs, wir haben einen Ritt über die Güter gemacht. Dann hatte er noch etwas zu überprüfen und bat mich deshalb, im Palast auf ihn zu warten. Wir wollen gleich noch zu den Sklavenzwingern, um zu sehen, wie sich sein neues Crasiiweibchen einlebt.«
»Stellan hat eine neue Crasii?«
»Er hat sie letzte Nacht beim Schaukampf gewonnen.«
»Das muss ein interessantes Match gewesen sein.«
»Es ging eigentlich unheimlich schnell«, bemerkte der Prinz und runzelte die Stirn. »Meint Ihr, wir müssen uns Sorgen machen, wie gefährlich die Crasii sind?«
»Meiner Erfahrung nach sind sie nur gefährlich, wenn man sie misshandelt.«
Mathu lächelte. »Ach ja, ich habe von Euch gehört, Lady Desean. Beschützerin der Schwachen, Unterdrückten und Entrechteten. Die Tochter eines sentimentalen, mildtätigen Arztes aus einfachsten Verhältnissen, die der ganzen besseren Gesellschaft von Glaeba einen Schock versetzt hat, indem sie einfach aus dem Nichts kam und sich den begehrtesten Junggesellen des Landes schnappte. Wenn ich mich über die Blutrünstigkeit unserer Sklavenrassen unterhalten will, bin ich bei Euch an der falschen Adresse, nicht?«
»Ihr klingt, als hätte ich Euer Missfallen erregt, Euer Hoheit.«
»Ach woher denn«, lachte er, »Ihr bringt nur ein wenig frischen Wind in diesen ganzen Hochadelsmief. Und Ihr habt mich so freundlich in Euren Haushalt aufgenommen, Arkady. Mir wäre es wirklich lieber, wenn Ihr mich Mathu nennen würdet.«
»Wenn Ihr drauf besteht … Mathu. Aber was mich viel mehr interessiert – warum haltet Ihr die Crasii für blutrünstig?«
Das Lächeln des Prinzen schwand.
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