Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 2 - Die Goetter von Amyrantha
Hanburn hatte sicher nichts gegen seine Ankunft einzuwenden, aber er wollte sie nicht unnötig ins Gerede bringen. Wie Tenry Crow schon erwähnt und die Episode mit dem schleimigen kleinen Zuhälter nur allzu deutlich gezeigt hatte, war Declan zurzeit eine ausgesprochen zwielichtige Gestalt.
Der Durchgang war dunkel und roch nach faulenden Abfallen. Declan ließ im Gehen sein Bündel von der Schulter gleiten und war gerade erst zwei Schritte weit gekommen, da traf ihn etwas hart am Hinterkopf. Mit einem Grunzlaut fiel er bäuchlings auf den schlammigen Weg.
Ihm blieb kaum Zeit zu registrieren, dass man ihn angegriffen hatte, denn sogleich traf ihn noch ein Schlag, und er fiel in einen tiefen Brunnen der Bewusstlosigkeit.
36
»Gezeiten, du hast ihn doch nicht umgebracht?«
Declan stöhnte und rollte sich auf den Rücken, überrascht, statt dem Schlamm, an den er sich als Letztes erinnerte, harte Dielenbretter unter sich zu spüren. Die Stimme klang barsch und ungeduldig und kam ihm vage vertraut vor.
»Ich glaube, er kommt zu sich«, bemerkte eine andere gesichtslose Stimme.
Declan versuchte zu sprechen, aber dann merkte er, dass nur ein unverständliches Stöhnen herauskam. Sein Mund war trocken, und sein Kopf fühlte sich an, als hätte man ihn in zwei Hälften gespalten. Jemand hockte sich neben ihn, er fühlte es eher, als dass er es sah. Wenig später rann ihm kühles Wasser über die Lippen.
»Danke«, schaffte er zu krächzen.
»Gern geschehen.«
Gezeiten, die Stimme kenne ich doch.
»Natürlich sollte ich Euch verdammtes glaebisches Schwein einfach aufhängen wie einen gemeinen Spion, aber ich brauche vielleicht einen Gefallen von Euch. Darum bin ich bereit, Euch einen Augenblick Zeit zu geben, damit Ihr Euch erklären könnt, bevor ich mich endgültig ' entscheide, ob ich Euch aufknüpfen lasse oder nicht.«
»Ricard Li.« Declan öffnete mit einiger Mühe die Augen und sah auf. Und richtig, es war der Erste Spion von Caelum, der über ihm kniete und ihm einen Wasserschlauch an die Lippen hielt. Er griff danach, trank noch ein paar Mundvoll Wasser und ließ sich dann wieder auf den Rücken fallen. »Wie habt Ihr mich gefunden?«
Ricard lächelte humorlos. »Indem ich Eure beiden Schlägertypen einen Monat lang beschatten ließ. Gerade wollte ich die Überwachung abbrechen, weil ich sie für völlige Zeitverschwendung hielt, und siehe da, wer taucht heute Abend im Einsamen Wanderer auf? Der legendäre Declan Hawkes höchstpersönlich.«
»Ich war auf dem Weg zu Euch, Ricard.« Declan stützte sich auf die Ellbogen und sah sich um. Sie waren in einer Art Keller, die einzige Lichtquelle eine Laterne, die auf einem Fass zu Ricards Linken stand. Es waren noch einige andere Männer im Raum, aber in der Düsternis konnte er ihre Gesichter nicht ausmachen.
»Aber natürlich wart Ihr das.«
»Ich würde nicht riskieren, nach Cycrane zu kommen, ohne Euch Bescheid zu geben.«
»Wie spaßig, offenbar habt Ihr vergessen, mir Bescheid zu geben, als Ihr die Grenze passiert habt. Muss Euch irgendwie entfallen sein, wie?« Trotz seiner Worte reichte Ricard Declan die Hand und zog den Glaebaner in eine aufrecht sitzende Position. »Womit sich mir die Frage aufdrängt, wie Ihr es geschafft habt, ins Land zu kommen. So wie Ihr ausseht, würde ich sagen, Ihr seid auf dem Bauch durch irgendwelche Gebirgstunnel gekrochen.«
Declan sah achselzuckend auf seine verdreckten Kleider hinunter. »Ihr wärt überrascht, wie zutreffend Eure Vermutung ist, Ricard.«
»Nun, so sehr mich auch das Wie fasziniert, bin ich doch noch interessierter am Warum, mein zwielichtiger junger Freund. Wie meine Leute mir sagen, seid Ihr seit über einem Monat aus Herino fort. Was ich höchst verwunderlich finde, wenn man bedenkt, was dort gerade vor sich geht. Wenn Ihr also Euren hübschen Kopf auf den Schultern behalten wollt, dann betet besser, dass ich nicht herausfinde, dass Ihr schon die ganze Zeit über hier in Caelum seid.«
Declan täuschte ungläubige Überraschung vor. »Ihr habt Spione in Herino? Wer hätte das gedacht?«
»Werdet mir nicht frech, Hawkes. Glaubt mir, dafür bin ich gerade nicht in Stimmung. Euer König und Eure Königin sind tot. Ihr solltet in Herino sein. Was habt Ihr hier zu suchen?«
Declan, dem immer noch der Kopf dröhnte, sah sich um und entdeckte ein kleineres Fass neben dem größeren, auf dem die Laterne stand. »Darf ich mich dort hinsetzen?«
Ricard erwiderte nichts, aber er hinderte
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