Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 2 - Die Goetter von Amyrantha
geschehen?«
Declan zuckte die Schultern. »Wir werden etwas arrangieren.«
»Werde ich weiter so tun müssen, als ob ich ein Junge bin?«
»Wahrscheinlich. Es ist einfach eine sichere Verkleidung, wenn die Leute nach einem kleinen Mädchen Ausschau halten.«
»Bringt Ihr mich nach Herino? Oder woandershin?«
»So weit habe ich bislang noch gar nicht gedacht, Hoheit.«
»Nun, das solltet Ihr aber«, befahl sie. »Ich bin die rechtmäßige Herrscherin von Caelum, wisst Ihr. Ich verdiene, entsprechend behandelt zu werden.«
Was hab ich nur verbrochen, um dich am Hals zu haben? Aber Declan war klug genug, um zu erkennen, dass dieses Kind viel kooperativer war, wenn man mitspielte und sie behandelte, wie sie es gewöhnt war. »Ich werde sicherstellen, dass jedermann sich Eures erhabenen Ranges bewusst ist, Hoheit«, versprach er und stand auf. Denn das ist ja die beste Methode, etwas geheim zu halten - indem man es in die Welt hinausposaunt. »Können wir weiter?«
»Ist es noch weit?«
»Dieser nächste, sehr enge Teil dauert nur eine oder zwei Stunden. Danach wird der Weg wieder eine Weile leichter.«
Sie kam auf die Füße und klopfte sich den Schmutz von ihren verdreckten Beinkleidern, als mache das noch einen Unterschied. »Woher kennt Ihr überhaupt den Weg durch den Berg?«
»Ich habe eine Karte.«
»Aber diese Tunnel müssen uralt sein. Wo habt Ihr eine Karte davon gefunden?«
»Meine Urgroßmutter hat sie mir gegeben.«
»Ist es so was wie ein Familienerbstück?«
Declan lächelte und hob die Fackel aus der Klammer. »Könnte man so sagen.«
Sie sah sich stirnrunzelnd um. »Eure Vorfahren waren wohl Schmuggler, wenn sie sich hier unten so gut auskannten. Oder noch Schlimmeres.«
»Viel schlimmer, fürchte ich«, meinte Declan. »Es ist der linke Tunnel. Kommt weiter.« Er machte Anstalten, den markierten Tunneleingang zu betreten, und blieb stehen, als er bemerkte, dass Nyah nicht hinter ihm war. »Stimmt etwas nicht?«
»Es scheint Euch wohl gar nichts weiter auszumachen, dass Eure Vorfahren Schmuggler waren.«
In zwei Schritten hatte Declan die Höhle durchquert und nahm sie an die Hand. »Nyah, meine Mutter war eine Hure, mein Großvater ist ein Scharlatan, und meine Urgroßmutter hat einmal einen ganzen Berg in die Luft gesprengt, bloß weil ihr jemand auf die Nerven ging. Schmuggler als Vorfahren? Gezeiten, das Glück hätte ich gern.«
»Was ist mit Eurem Vater?«, fragte sie und sträubte sich immer noch ein wenig.
»Was soll mit ihm sein?«
»Ihr habt nicht gesagt, was er war.«
»Ich weiß nicht, was er war«, sagte Declan und zerrte sie weiter hinter sich her. »Habt Ihr nicht zugehört? Meine Mutter war eine Hure.«
Nyah zog ihre Hand aus seinem Griff, blieb stehen und starrte ihn im dämmrigen Fackelschein wütend an.
»Aber dann seid Ihr ja ein Bastard.«
»Sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinn«, meinte Declan. »Was auch bedeutet, dass ich Euch ohne Weiteres hier im Dunkeln sitzen lasse, Euer Hoheit, und Ihr Euch allein einen Weg nach draußen suchen könnt, wenn Ihr jetzt nicht endlich die Klappe haltet und mitkommt.«
Einen Augenblick lang stand sie trotzig da, vielleicht überlegte sie, ob er nur bluffte. Schließlich schien sie es sich anders überlegt zu haben. Sie warf den Kopf zurück und stapfte an ihm vorbei in den Tunneleingang.
»Ricard Li wird das erfahren«, erklärte sie mit hochmütiger Herablassung.
Macht keinen Unterschied, dachte Declan, als er der kleinen Prinzessin nachging, denn das nächste Mal, wenn ich diesen verdammten Caelaner zu Gesicht bekomme, murkse ich ihn eigenhändig ab.
39
Etwa zehn Tage, nachdem er Ramahn verlassen hatte, kam Stellan erschöpft in der Stadt Wildwasser an, vor Kummer immer noch wie betäubt. Für das letzte Wegstück, in den Norden nach Herino wollte er eigentlich eine Barke mieten, aber dann entdeckte er mit Erleichterung, dass Mathu ihm eine bewaffnete Eskorte geschickt hatte, um ihn nach Hause zu bringen.
Es beeindruckte und rührte Stellan, dass Mathu in einer solchen Zeit daran gedacht hatte, seinen Cousin mit allen Ehren zu empfangen, und er vertraute sich der Eskorte arglos an. Es war ein Trupp berittener Feliden unter dem Befehl eines menschlichen Hauptmanns namens Marfan Derill und zwei weiteren menschlichen Leutnants, die ihm nicht namentlich vorgestellt wurden. Als jüngerer Sohn einer der vielen Adelsfamilien von Herino behandelte Hauptmann Derill seinen Schutzbefohlenen höflich,
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