Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 2 - Die Goetter von Amyrantha
unmöglich war, den Ausdruck in seinem Gesicht zu erkennen.
»Ich habe dich schon vor Tagen erwartet«, sagte Brynden, als er vor ihm stehen blieb. Der Unsterbliche hatte seine Mönchsgewänder abgelegt und trug wieder die Kleidung eines Kriegers. Die Zeiten des Versteckens waren für Brynden wohl vorbei, schlussfolgerte Cayal.
»Ich wurde aufgehalten.«
»Ist Lukys nicht bei dir?«
Cayal schüttelte den Kopf. »Er ist unterwegs und trommelt die anderen zusammen. Er wird aber bald zurück sein. Und dann können wir endlich loslegen.« Er blickte neugierig in der Halle umher. »Wo ist Arkady?«
»An einem sicheren Ort.«
Da war eine Klangfarbe in Bryndens Ton, die auf eine versteckte Bedeutung dieser harmlosen Feststellung schließen ließ.
»Was genau bedeutet >an einem sicheren Ort«
»Der Brief, den deine Freundin mir von Kinta gebracht hat, kündete von großem Übel, das über sie hereinbräche, wenn die Feinde ihres Mannes sie fänden. Sie lässt mich überdies wissen, dass Jaxyn und Diala derzeit in die Politik Glaebas verwickelt sind.«
»Ein Grund mehr für mich, sie zügig in Sicherheit zu bringen, Brynden. Wo ist sie?«
»Wo ihre Feinde sie niemals suchen würden.«
Cayal runzelte die Stirn. Er war jetzt fast sicher, dass hier etwas nicht stimmte.
Brynden hat kein Interesse daran, dir zu helfen, und wird dich übers Ohr hauen, wo immer er eine Möglichkeit dazu sieht, hatte Lukys' Brief ihn gewarnt.
Wann werde ich je lernen, auf dich zu hören, Lukys?
»Du würdest nicht in Rätseln sprechen, wenn du nicht wüsstest, dass mir die Wahrheit nicht gefallen wird.«
Brynden lächelte. Das war ein seltenes und erschreckendes Ereignis, vor dem man sich hüten sollte. »Ich genieße den Augenblick, Cayal. Vergälle mir das Vergnügen nicht, indem du mich hetzt.«
Jetzt wusste Cayal genau, dass etwas absolut verkehrt lief. Gezeiten, Arkady, was habe ich getan? Ich hab dich ihm ausgeliefert, ohne einmal nachzudenken ... Was hat er dir angetan?
»Wo ist sie, Brynden?«
»Elvere.«
Cayal seufzte erleichtert.
»Ich habe sie in die Sklaverei verkauft«, fügte der Gezeitenfürst mit einem unverhüllt bösartigen Lächeln hinzu. »Wenn Ihr sie zurückwollt, Euer unsterbliche Hoheit, könnt Ihr sie kaufen wie jeder andere Kunde. Natürlich immer vorausgesetzt, dass sie nicht schon jemand anders erstanden hat. Vielleicht willst du sie auch gar nicht mehr, wo sie jetzt das Brandzeichen der Sklavin trägt, obwohl ... nun, dein Geschmack bei Frauen war schon immer unberechenbar.«
Cayal konnte nicht antworten. Der Zorn machte ihn sprachlos.
Brynden hingegen schien außerordentlich zufrieden mit sich. »Es ist nicht ganz das Gleiche, als könnte ich dich leiden lassen wie du mich, das weiß ich wohl. Aber es wird vorerst genügen müssen.«
Cayal spürte, wie die Macht der Gezeiten in ihm aufwallte, angeschürt von seiner Wut. So hatte er sich an dem Tag gefühlt, an dem er die ewige Flamme ausgelöscht hatte. Damals jedoch war Flut gewesen. Jetzt, mit der Flut im Steigen, aber noch lange vor ihrem Höchststand, vermochte er absolut nichts auszurichten, dem Brynden nicht mit Leichtigkeit begegnen konnte.
Das war die permanente Pattsituation, in der die Gezeitenfürsten lebten.
»Spiel nicht mit dem Gedanken, mich anzugreifen, Cayal«, sagte Brynden scharf, der offenbar in den Gezeiten spürte, wie Cayals Wut seine magischen Kräfte nährte. »Du bist hier in meiner Abtei, umgeben von meinen Leuten. Sie können dich nicht töten, sicher, aber oh ... sie könnten dich ausgiebig foltern, bis die Flut so weit steigt, dass du dich befreien kannst.«
Das war eine klare Warnung, und sie kam im rechten Augenblick. Cayal fühlte bereits den unbändigen Wunsch, diesen Ort dem Erdboden gleichzumachen. Unglücklicherweise fehlte ihm derzeit die Macht, ein Vorhaben dieser Dimension in die Tat umzusetzen.
Die Fäuste in die Hüften gestemmt, bezwang Cayal seinen Zorn mit äußerster Willensanstrengung. »Du willst doch keinen Krieg mit mir anfangen, Brynden.«
»Du hast diesen Krieg angezettelt, Cayal, als du mir Kinta nahmst. Es ist zu spät, sich zu beklagen, wenn die Waage sich zur anderen Seite neigt.«
Das übermächtige Verlangen, etwas zu zerstören, fraß an ihm. Hilflos, voll ohnmächtiger Wut und überwältigt von der schuldbewussten Erkenntnis, dass seine Trödelei Brynden die Zeit verschafft hatte, Arkady in aller Ruhe loszuwerden, zeigte Cayal auf Brynden.
»Diese Sache zwischen uns ist nicht
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