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Falltür - bitte klopfen

Falltür - bitte klopfen

Titel: Falltür - bitte klopfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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ich’s überdies noch
fertigbrachte, ihn zum Vorangehen zu bewegen, dann standen die Chancen mehr als
günstig. Das war ein runder feiner Plan, sagte ich mir händereibend. Es ging
eben nichts über einen guten Freund!
    Sein melancholisches Gesicht
hob sich zu mir auf, als ich in sein Zimmer trat, und die dunklen Augen
funkelten verständnisvoll.
    »Ich weiß, Towarisch«, sagte
Boris langsam. »Er hat’s nicht geschafft, nicht wahr? Meine slawische Seele
versteht, und sie weint um ihn.«
    »Wer hat was nicht geschafft?«
    »Der unglückliche Graf von
Monte Christo«, sagte er sorgenvoll. »Ich habe ihn schreien hören, als sie ihn
wieder in sein Verlies schleppten.«
    »Das war Wanda«, knurrte ich.
»Sie — ähem — hat eine Maus gesehen oder sonst was in ihrem Zimmer, und da ist
sie hysterisch geworden.«
    »Es war Monte Christo«,
wiederholte er starrsinnig. »Du kannst doch einem Russen in solchen Dingen
nichts vormachen, Larry, denn wir wissen da Bescheid. Wir wurden schon mit der
schrecklichen Angst vor Sibirien geboren, und diese Furcht rinnt uns durch die
Adern...«
    Ich sagte mir, daß er in dieser
Stimmung durchaus im Stande war, die ganze Nacht so weiterzujammern, und deshalb
wechselte ich abrupt das Thema.
    »Mir ist gerade etwas
Grandioses eingefallen«, verriet ich ihm enthusiastisch. »Warum sollten wir die
Zeit vergeuden und uns ein Boot bauen, wenn wir einfach hingehen und uns ein
fertiges suchen können?«
    »Was für ein gewöhnliches
Ansinnen!« Er schüttelte sich angeekelt.
    »Was?«
    »Du verlangst von mir, einem
Slivka, dem Sohn eines Großherzogs, von mir verlangst du, ich soll die Rolle
eines gewöhnlichen Matrosen spielen!« Sein Kinn hob sich arrogant. »Lieber
stelle ich mich einem Erschießungskommando!«
    Ungefähr in diesem Augenblick
bemerkte ich eine Reihe von Dingen, die mir eigentlich schon viel früher hätten
auffallen müssen, zum Beispiel den glasigen Ausdruck seiner Augen und die nun
fast leere Wodkaflasche.
    »Du bist betrunken«, stellte
ich fest.
    »Nie im Leben!« Er rappelte
sich hoch. »Kein Russe wird jemals vom Alkohol überwältigt, Towarisch. Der
Schnaps bringt nur die schwelende Melancholie unserer Seelen zutage.«
    »Bah«, sagte ich.
    »Ich werd’s dir beweisen«,
verkündete er mit großer Würde. »Ich werde auf einem Strich gehen, du
Zweifler.«
    Er kam einen Schritt auf mich
zu, dann verdrehte er die Augen, beschrieb eine halbe Drehung nach rechts und
landete quer überm Bett.
    »Das hab’ ich gern«, sagte ich
enttäuscht. »Jetzt kann ich ganz allein hinausgehen und mich erwürgen lassen.«
    Vom Bett her erklang
zufriedenes Schnarchen, und ich erkannte, daß Boris im Augenblick gewiß keine
wodkagebeizten Tränen um mich weinen würde. Ich unterdrückte den Drang, ihn mit
der leeren Flasche totzuschlagen, und verließ statt dessen sein Zimmer.
    Zum Teufel mit allem, sagte ich
mir. Vielleicht sollte ich Wanda erzählen, ich hätte mir den Fuß verstaucht,
aber dafür war’s nun auch schon wieder zu spät, weil ich in Gedanken das
magische Wort »Wanda« ausgesprochen hatte. Schlagartig sah ich sie klar vor
mir: ihre Augen leuchteten voll Wärme und Hingebung, als sie den heimkehrenden
Helden empfing. Ich sah die bewunderungswürdigen Maße zittern — vor
Leidenschaft! —, und schon war ich geliefert. Es wäre ein schlimmeres Schicksal
als der Tod gewesen, auf die Wiedersehensfeier mit der Frau meiner Träume zu
verzichten.
    Ich stieg auf Zehenspitzen
Stufe für Stufe hinab, tastete mich durch die dunkle Eingangshalle zur Haustür.
Ein Zigarettenpäckchen gab den Puffer ab, der verhinderte, daß sie vielleicht
zufällig hinter mir ins Schloß fiel, wenn ich erst draußen war. Zu dieser
Vorsichtsmaßnahme bewog mich weniger der Gedanke, daß es vielleicht dumm
aussähe, mitten in der Nacht zu klingeln — als vielmehr die Befürchtung, ein
gemeingefährlicher Irrer könnte mir auf den Fersen sein und niemand käme
rechtzeitig genug aus den Federn, um mir zu öffnen. Dieser Gedanke hatte
übrigens auch zur Folge, daß die laue Nacht plötzlich kalt wurde und meine Knie
Geräusche wie zwei aus der Kontrolle geratene Kastagnetten von sich gaben.
    Als ich um die Hausecke bog und
an der Rückfront entlang schlich, hatte ich das Gefühl, geradewegs in einen
Alptraum hineinzulaufen. Die obersten fünfzehn Meter des kleinen Berges erhoben
sich steil zum Gipfel, und so befand ich mich in der schmalen Schlucht zwischen
dieser Felswand und dem Haus — und da

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