Falltür - bitte klopfen
er
übergeschnappt ist.«
»Warten Sie mal, Martha«, sagte
ich rasch. »Sehen Sie ihn an, sehen Sie sich ihn gut an. Bemerken Sie einen
Unterschied?«
»Nein.« Sie zuckte ungeduldig
die Schultern. »Er ist noch genau derselbe Trauerkloß, den ich auf Grund eines
Kardinalfehlers geheiratet habe.«
»Schauen Sie ihn genau an,
bitte, so wie ich jetzt«, bat ich sie. »Gewiß, auf den ersten Blick sieht er
aus wie vorher. Aber wenn man näher hinguckt, entdeckt man eine Menge kleiner
Unterschiede. Er ist so eine Art eigener Doppelgänger. Der Schnurrbart scheint
noch derselbe zu sein, aber er sieht jetzt anders aus, ein bißchen aus der
Façon, nicht? Und ist nicht auch sein Haarwuchs zurückgegangen, ein
Zentimeterchen etwa? Sehen Sie das? Und ich wette, daß seine Fingernägel
außergewöhnlich gewachsen sind.«
»Warum?« Sie starrte mich
verständnislos an.
»Die wachsen immer so nach dem
Tod«, vertraute ich ihr an. »Vielleicht also sieht er wirklich wie der alte
Westcott aus, geht und redet wie dieser Ihr Kardinalfehler. Aber mir macht er
nichts vor. Er ist ein Geist, verzaubert von Emiles Hexerei, und wer jetzt zu
uns durch seinen Mund spricht — das ist Emile!« Ich grinste den lebenden
Leichnam an. »Okay, Emile, was soll der ganze Unfug?«
Der Geist bekam gläserne Augen,
dann wich er unsicher einen Schritt zurück, und ich triumphierte schon
insgeheim, daß ich Emile diesmal wirklich glatt aufs Kreuz gelegt hatte.
»Bist du jetzt überzeugt,
Eugene?« fragte Martha boshaft und selbstzufrieden. »Oder glaubst du, ich habe
ein Verhältnis mit einem Irren wie ihm?«
»Nein«, sagte der Geist mit
zitternder Stimme. »Du hast natürlich recht. Ich... ich bitte um Verzeihung.
Wir können jetzt nur eins tun: über den Kurzwellensender Parsons rufen und ihn
einen Arzt herüberfliegen lassen, so schnell wie möglich.« Er sah mich wieder
an, und seine Lippen verzogen sich zu einem wahrhaft überirdischen Lächeln.
»Hier spricht — ähem — Emile«,
verkündete er selbstbewußt. »Sie haben gewonnen, Baker. Ich werde den Zauber
und den Geist auf der Stelle hinweghexen. Entspricht das — ähem — Ihrem
Wunsch?«
»Na klar«, erwiderte ich kalt.
»Und dann werde ich mich an den Funkapparat setzen und die Polizei rufen, damit
sie herkommt und Sie wegen Mordes an dem armen alten Westcott verhaftet. Machen
Sie keine Mätzchen, Emile! Sie wissen, daß Sie die Insel allein nicht verlassen
können — mithin ist jeder Widerstand sinnlos!«
»Ich habe verstanden, Baker.«
Der Geist schien recht nervös. »Ich kann Sie laut und deutlich verstehen,
deshalb also: Ende! Und — hinaus!«
Während er das letzte Wort
schrie, so laut er konnte, sah er Martha an. Im nächsten Augenblick flitzte sie
wie ein katapultgestarteter Düsenjäger in den Flur hinaus. Der Geist folgte ihr
ebensoschnell und schlug die Tür hinter sich zu. Ich hörte, wie sich der
Schlüssel im Schloß drehte, und stand ein paar Sekunden begriffsstutzig herum,
ehe mich die volle Bedeutung dieses Geräuschs wie ein Volltreffer in die
Magengrube traf. Und dann erkannte ich, daß ich mich von diesem elenden Emile
hinters Licht führen, übers Ohr hauen und ins Bockshorn hatte jagen lassen!
Da hätte selbst ein starker
Mann schreien können; ich brachte freilich nur ein schwaches Wimmern zuwege,
weil halt die Arbeit fürs Fernsehen meine Kräfte in all den Jahren stark
aufgezehrt hat, von den Mädchen erst gar nicht zu reden. Ich klopfte eine Weile
an der Tür herum, bis ich mir dabei einen der beiden Finger verletzte, mit
denen ich tippe. Da gab ich’s auf, und nur um irgend etwas zu tun, trat ich ans
Fenster, öffnete es weit und starrte hinab in die Finsternis. Der Gedanke an Emile,
der jetzt vielleicht dort unten umherschlich, mit einem Zauberstab in der einen
und einer ganz frischen Leiche in der anderen Hand, ließ die schwüle Nacht
plötzlich wieder kalt werden. Ich wandte mich mit einem kurzen Stoßgebet an
meinen persönlichen Schutzengel, aber es war eher ein Ultimatum: Entweder tat
er ganz rasch etwas, um mich aus dieser verzwickten Situation zu befreien —
oder ich legte mir einen anderen zu! Schließlich setzte ich mich aufs Bett,
zündete mir eine Zigarette an und wartete darauf, daß mal wieder etwas
passierte. Und eins stand fest: Ich hatte mir den richtigen Platz dafür
ausgesucht.
Etwa fünf Minuten später
klopfte es nervös, dann drehte sich der Schlüssel, und die Tür öffnete sich
rund dreißig Zentimeter weit. Ein
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