Falltür - bitte klopfen
leuchtender Glatzkopf schob sich vorsichtig
herein, und ich wollte schon das Bett hochheben, um es als Waffe zu verwenden,
als ich mit einem mal sah, daß der haarlose Schädel ja der Geißel der
Bolschewiken gehörte und nicht einem Fabelwesen aus Tausendundeiner Nacht. Boris
schob sich endlich ganz ins Zimmer, schloß die Tür hinter sich und lächelte
mich matt an.
»Da wären wir, Monte Christo«,
sagte er betrübt.
»Würde ich deine phänomenalen
Fähigkeiten der Rekonvaleszenz nicht kennen, soweit es den Alkohol betrifft,
hielte ich dich für ein Produkt meiner Phantasie«, sagte ich. »Wo hast du
gesteckt?«
»Sie haben mich aus tiefem
Schlaf und einem wundervollen Traum geweckt, Towarisch«, seufzte er. »Ich war
wieder in Petersburg, im Winterpalast. Und man hatte mich gerade zum Zar des
gesamten Fernsehens ernannt! Ich hatte dreihundert Serienauftraggeber an die
Wand stellen lassen, mit verbundenen Augen, und wollte eben den Befehl zum
Schießen geben — da schüttelte mich eine rohe Hand und brachte mich in die
widerwärtige Wirklichkeit zurück. >Larry Baker ist doch Ihr Freund?<
haben sie mich gefragt, und ich bejahte. >Er ist völlig verrückt
geworden< sagten sie, worauf ich ihnen erzählte, daß dies öfter passiere,
wenn ihm ein attraktives Mädchen in Reichweite geriete. >Aber diesmal ist es
Ernst<, meinten sie. >Vielleicht hört er auf Sie, seinen Freund? Wir
haben ihn in seinem Zimmer eingeschlossen. Bitte, gehen Sie hin, und reden Sie
mit ihm.< Und deshalb, im Dienste unserer alten guten Freundschaft, bin ich
hier, um zu fragen: Warum?«
»Warum was?« schnarrte ich.
»Sie möchten wissen, warum du
den Kurzwellensender zertrümmert hast, Towarisch«, erklärte er freundlich.
»Ich habe nichts zertrümmert!«
rief ich. »Sind die denn verrückt geworden?«
»Nein, das habe ich doch schon
erläutert«, sagte er geduldig. »Du bist es, der verrückt geworden ist.«
»Nun setz dich mal hin und hör
mir zu«, knirschte ich. »Du kannst dir ja gar nicht vorstellen, was ich
mitgemacht habe. Dieser Emile ist ein Irrer mit überirdischen Kräften. Oder er
muß ein Hexenmeister aus dem Urwald sein. Wie anders soll man es erklären, daß
er einen Geist laufen und reden läßt?«
»Okay, Towarisch.« Boris
lächelte mich melancholisch an. »Ich werde hingehen und ihnen bestätigen, wie
verrückt du bist. Dann trinke ich noch eine Flasche Wodka und lege mich wieder
schlafen. Wenn ich mir viel Mühe gebe, schaffe ich’s vielleicht noch mal bis
zurück zu den dreihundert Auftraggebern und dem Schießbefehl...«
»Nun sei schon endlich still
und hör mir zu!« brüllte ich verzweifelt.
Er zuckte resigniert die
Schultern, dann ging er zum Bett und ließ sich nieder. »Ich höre, Towarisch —
aber glauben ist etwas anderes.«
Ich erzählte ihm die ganze
Geschichte, angefangen bei Wanda, wie sie mich hinuntergeschickt hatte, unter
ihrem Fenster nachzuschauen. Als ich fertig war, zeigten Boris’ Züge eine
gewisse Benommenheit — etwa wie bei einem Bernhardiner, der versehentlich das
Kognakfäßchen an seinem Hals geleert hat.
»Was hältst du davon?« fragte
ich besorgt.
»Ganz einfach.« Er stand wieder
auf. »Du bist völlig übergeschnappt.«
»Alles ist wahr, ich schwöre
es«, versicherte ich. »Ich weiß, es hört sich wie der Traum eines Opiumrauchers
an — aber es ist alles tatsächlich so passiert.«
»Was ich an der Demokratie am
meisten hasse, ist die Art, wie sie selbst stärkste Charaktere verweichlicht —
so wie mich«, sagte er gewichtig. »Ehe man noch recht begreift, was vorgeht,
hat man schon irgendwelche Leute nett gefunden — gar Freunde gewonnen. Man wird
ganz krank davon. Ein Mann von edlem Geblüt wie ich wußte früher genau, woran
er mit seinen Bauern war. Es gab keinerlei Verpflichtungen: man schlug sie oder
erschoß sie oder verkaufte sie. Aber Freunde? O weh!«
»Ich wußte ja, du würdest mich
verstehen, alter Junge«, sagte ich dankbar.
»Freunde sind ein Fluch der
Demokratie«, schimpfte er. »Nur weil sie einem mal einen belanglosen Dienst
erweisen, indem sie einem Geld leihen oder das Leben retten, erwarten sie
ständig Gegenleistungen.« Widerwillig setzte er sich wieder aufs Bett. »All
right, meinetwegen. Deine Story ist ebenso idiotisch wie unglaubwürdig, habe
ich recht?«
»Aber sie ist wahr!«
»Trotzdem idiotisch und
unglaublich, stimmt’s?
»Ich fürchte, ja«, erwiderte
ich betrübt.
»Du bist Schriftsteller, auch
noch beim Fernsehen, was am
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