Falsch gespielt: Kriminalroman (German Edition)
den nicht ganz so dringenden Auftrag, eine Liste der Anrufe zusammenzustellen, die Sven-Gunnar Erlandsson auf seinem Handy getätigt oder entgegengenommen hatte. Anschließend machte er sich mit Westman auf den Weg zum Blåklintsvägen in Herrängen.
Staffan Jenner war eine schräge Figur. Obwohl er erst fünfundfünfzig Jahre alt war, wirkte er gebeugt, grau und ausgezehrt. Seine Hosen schienen allein wegen des Gürtels nicht herunterzurutschen. Hamad musste spontan an Krebs denken, und auch während der Befragung hatte er erhebliche Probleme, diesen Gedanken zur Seite zu drängen. Aber Jenner begegnete ihnen von Anfang an freundlich, bot ihnen einen Platz auf der Couch im Wohnzimmer an, bevor er überhaupt nach ihrem Anliegen fragte. Er hatte eine angenehme Stimme und aus seinen intensiv blauen Augen sprach mehr als alles andere die Neugierde.
»Wir würden gerne wissen, was Sie gestern Abend getan haben«, begann Westman die Befragung, während Hamad den Notizblock zückte.
»Ich habe im Långbro Värdshus mit ein paar guten Freunden gegessen«, antwortete er freimütig.
»Wann waren Sie zu Hause?«
»So um halb eins.«
»Wie sind Sie nach Hause gekommen?«
»Ich bin zu Fuß gegangen, es war eine fantastische Sommernacht.«
Er lächelte, als er die Antwort gab, ein kaum wahrnehmbares Lächeln, das alles mögliche bedeuten konnte, zum Beispiel auch, dass er meinte, was er gesagt hatte.
»Zu der Zeit hat es also nicht geregnet?«
»Nein, der Regen kam wohl erst, als ich schon eingeschlafen war. Es gab fast keine Wolken. Wir unterhielten uns noch darüber, wie groß der Mond aussah, als er kurz über den Baumwipfeln stand.«
»Wir?«
»Ja, zuerst haben mich noch ein paar Freunde begleitet, mit denen ich den Abend verbracht hatte.«
Immer noch keine Fragen. Warum interessierte ihn nicht, was sie von ihm wollten?
»War Sven-Gunnar Erlandsson möglicherweise einer von ihnen?«
»Ja, genau«, bestätigte er mit einem Nicken.
Westman schmiedete das Eisen, solange es heiß war.
»Welchen Weg haben Sie genommen?«
Er antwortete unmittelbar, brauchte offensichtlich nicht erst darüber nachzudenken.
»Wir sind erst den Bergtallsvägen und dann den Stora Kvinns Väg entlanggegangen, bis wir an der Ecke den Fußweg hinunter zum Vantörsvägen genommen haben, wo wir uns von Svempa verabschiedeten. Er hat den Vantörsvägen überquert und ist durch den Wald gegangen. Da gibt es einen Fußweg, der direkt zu ihm nach Hause führt. Lennart und ich sind weiter zum Långbrokungens Väg gegangen, wo er wohnt. Ich bin dann ein kurzes Stück in den Guldregnsbacken hinein, nach rechts in den Nejlikevägen abgebogen, dann nach links in den Isbergavägen und weiter bis hierher in den Blåklintsvägen.«
War das einstudiert? Oder war der Mann einfach besonders schnell im Kopf? Hamad schrieb, dass die Feder qualmte.
»Diesen Weg sind Sie schon öfter gegangen«, bemerkte Westman mit einem trockenen Lachen.
»Tja, ich weiß nicht, ob es wirklich so oft war. Aber ich kenne mich hier in der Gegend aus und weiß, wie die Straßen heißen. Ich wohne schon seit vielen Jahren hier.«
Immer noch derselbe freundliche Tonfall.
»Warum stellen Sie diese ganzen Fragen?«
Da war es.
»Weil heute am frühen Morgen Sven-Gunnar Erlandsson in diesem Wald, den Sie gerade genannt haben, tot aufgefunden worden ist«, sagte Petra mit einem forschenden Blick. »Ermordet. Hingerichtet mit einem Schuss in den Nacken.«
Staffan Jenner erstarrte in seinem Sessel, schnappte nach Luft. Dann runzelte er die Stirn. Die beiden Polizisten beobachteten seine Reaktionen, wogen sie, analysierten sie. Er ließ die Luft aus den Lungen, sein Blick wanderte unruhig von einem Polizisten zum anderen. Dann beugte er sich über den Couchtisch und verbarg sein Gesicht in den Händen, während er immer wieder den Kopf schüttelte. Hamad und Westman schauten einander wortlos an. Die Sekunden tickten. Schließlich ließ er die Hände auf den Tisch fallen und sank mit einem Seufzen in den Sessel zurück.
»Ich bin … am Boden zerstört«, brachte er heraus.
War er das wirklich? Versuchte er sich einzureden, dass er es war? Oder wollte er sie glauben machen, dass er es war?
»Sven-Gunnar … Warum nenne ich ihn so? Svempa, mein bester Freund … Was soll denn jetzt werden? Vielleicht ist es jetzt ja an der Zeit, hier wegzuziehen … All die Erinnerungen … Arme Adri, was wird jetzt aus ihr? Und die Kinder – was mögen sie nur denken?«
Hamad warf Westman
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