Falsch gespielt: Kriminalroman (German Edition)
Kleidung an die Obdachlosen verteilt. Er hat sie unterstützt und ermutigt. Man könnte wohl sagen, dass er in allem, was er tat, nach der Goldenen Regel lebte. Und nach allen anderen Geboten natürlich auch«, fügte er hinzu und verstummte.
Irgendetwas ließ Hamad stutzig werden. Was genau es war, konnte er jetzt noch nicht ausmachen. Die Goldene Regel war zwar keines von Gottes Geboten, aber das war es nicht, was ihn störte. Irgendetwas an dieser Beziehung wirkte nicht gesund, die Art, wie er von ihm sprach, klang falsch. Er beschrieb seinen Freund wie einen Giganten – machte er sich selbst dabei kleiner? Betrachtete er alles nur schwarzweiß? Oder lag es daran, wie er plötzlich aufgehört hatte zu sprechen? Scham? Schuld? Leichen im Keller? Bei ihm selbst oder bei Erlandsson?
»Besitzen Sie zufällig eine Schusswaffe?«, wollte Westman wissen.
Staffan Jenner ließ seine Hände zurück auf die Knie fallen, schaute ihr gerade in die Augen und antwortete mit einem Lächeln, das alles andere als Freude ausstrahlte:
»Nein, eine Waffe besitze ich wirklich nicht. Ich bin gegen Gewalt.«
Dem letzten Satz verlieh er einen ganz unerwarteten Nachdruck, und Hamad hätte darauf wetten können, dass Jenner kurz davor stand, in Tränen auszubrechen. Aber die Feuchtigkeit, die für den Bruchteil einer Sekunde in Staffan Jenners Augen zu erkennen gewesen war, zog sich sofort wieder zurück, ohne dass er seine Blicke von Westman abwendete. Sie musterte ihn schweigend, bevor sie die letzte Frage stellte.
»Fällt Ihnen jemand aus Sven-Gunnar Erlandssons Umgebung ein, der das nicht ist? Lennart Wiklund? Janne Siem? Adrianti?«
Aus seinen eisblauen Augen sprach nichts als hundertprozentige Überzeugung, als er antwortete.
»Absolut niemand. Dahinter kann nur ein Wahnsinniger stecken.«
Westman sah weniger überzeugt aus.
»Das soll fürs Erste reichen«, sagte sie und stand auf. »Es tut uns leid, was passiert ist, und wir werden wahrscheinlich wieder von uns hören lassen.«
Sonntagnachmittag
Das Spiel war in vollem Gange, als sie den Sportplatz in Södertälje erreichten, und Sandén konnte sofort feststellen, dass die Entwicklung seit seiner Jugend weitergegangen war. Zu seiner Zeit konnten Mädchen nicht mit einem Ball umgehen, weder mit den Füßen noch mit irgendeinem anderen Körperteil. Das war einfach so. Aber diese Mädchen hier würden in jede Pausenhofmannschaft gewählt werden, und das freute ihn. Was vermutlich an solchen begeisterten Menschen wie Erlandsson lag. Oder Gunnar Malmberg, musste er sich widerwillig eingestehen. Nicht, weil er grundsätzlich etwas gegen den stellvertretenden Polizeidirektor hatte, der sich so sehr in der Gleichstellungsfrage engagierte, sondern weil die Tatsache, dass es sich um den stellvertretenden Polizeidirektor handelte, für sich allein schon ausreichte, um ihn zu einer Nervensäge zu machen.
An der gegenüberliegenden Seitenauslinie standen zwei Bänke, auf denen die Auswechselspielerinnen und Offiziellen saßen. Sandén und Andersson gingen um den Platz herum, während Mercury mit einem Fußball an den Füßen um sie herumtanzte. Sandén hatte einen Mann im blauen Trainingsanzug ins Auge gefasst, der an der Seitenlinie stand und mit lauter Stimme Anweisungen auf das Spielfeld rief.
»Jan Siem – sind Sie das?«
»Stimmt. Sie sind von der Polizei, oder?«
Sandén nickte und machte Anstalten, seine Brieftasche zu zücken.
»Könnten Sie vielleicht noch zehn Minuten warten, bis das Spiel vorbei ist?«
»Wenn es nur ein paar Minuten sind, dann ist es kein Problem. Wir würden auch gern mit Ihrer Tochter sprechen.«
»Klar, das kriegen wir hin«, antwortete Siem und begann wieder, laut seine Befehle hinauszurufen. »Sofia, Hintermann?«
Wenig später war das Spiel vorbei, und während sich die übrigen Spielerinnen und Eltern auf den Weg zu den Umkleidekabinen machten, gesellten sich Siem und seine Tochter zu den beiden Polizisten.
»Und, wie lief das Spiel, Josefin?«, fragte Sandén, nachdem sie einander etwas ausführlicher begrüßt hatten.
»Ging so«, antwortete das Mädchen, das nach dem anstrengenden Spiel noch nicht ganz wieder zu Atem gekommen war.
»Habt ihr nicht gewonnen?«
»Doch, aber ich habe nicht gut gespielt.«
»Kein Wunder, nach dem, was dir heute passiert ist. Du konntest dich wahrscheinlich nicht so richtig konzentrieren, oder?«
»Mhm.«
Sie trank ein paar Schlucke aus einer Wasserflasche. Mit ihren hohen Wangenknochen war sie
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