Falsch gespielt: Kriminalroman (German Edition)
einen Blick zu, aber sie nahm sich nicht die Zeit, ihn zu erwidern, sie war voll auf Jenner konzentriert. Seine Worte schienen gar nicht an sie gerichtet. Gedankenbruchstücke schienen zusammenhanglos aus seinem Mund zu purzeln. Hamad wollte verstehen, wollte sich nicht mit leeren Halbsätzen begnügen. Deshalb nahm er den Dialog wieder auf.
»Erlandsson war also Ihr bester Freund?«, fragte er. »Beruhte das auf Gegenseitigkeit?«
Jenner musterte ihn mit einem unerwartet klaren Blick.
»Für mich ist das natürlich schwer zu beantworten, aber ich glaube, ja. Ich bin davon überzeugt. Wurde er ausgeraubt?«
»Das wissen wir nicht«, antwortete Hamad wahrheitsgemäß. »Haben sich auch Ihre Familien öfter getroffen?«
»Ja, damals jedenfalls.«
»Damals? Wann war das?«
Überall in dem gemütlichen Wohnzimmer standen und hingen eingerahmte Fotografien von Kindern verschiedensten Alters, sodass es keine allzu gewagte Vermutung war, dass Jenner eine Familie hatte.
»Die Kinder sind schon lange aus dem Haus. Sie sind siebenundzwanzig und fünfundzwanzig Jahre alt.«
»Und Ihre Frau?«
»Ich bin Witwer. Und habe nicht wieder geheiratet«, fügte er hinzu. »Aber um Ihre Frage zu beantworten: Die Kinder kamen sehr gut miteinander aus, sie sind ja ungefähr im gleichen Alter. Ja, außer Ida natürlich, Svempas Jüngste, aber sie ist den Großen auch immer fröhlich hinterhergelaufen. Wir haben uns also tatsächlich sehr häufig gesehen.«
Jenner schien sich ein wenig erholt zu haben, antwortete klar und vernünftig, selbst wenn seine ganze Erscheinung eine gewisse Müdigkeit ausstrahlte. Was nur verständlich war, wie Hamad sich eingestehen musste. Aber irgendetwas stimmte an diesem Mann nicht, er konnte nur den Finger nicht darauflegen. Verheimlichte Jenner ihnen etwas?
»Hatte Erlandsson Feinde?«, wollte Westman wissen.
Jenner schüttelte den Kopf.
»Das würde mich sehr überraschen. Er war überall sehr beliebt. Auf der Arbeit – ich habe ein paar seiner Kollegen kennengelernt –, im Verein, in der Nachbarschaft. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand etwas Schlechtes über ihn sagen könnte.«
»Und in der Pokerrunde?«, warf Hamad ein. »Da gab es auch keine Unstimmigkeiten?«
»Überhaupt nicht. Herrgott, es ist doch nur ein Spiel.«
»Bei dem es um eine Menge Geld geht.«
Jenner betrachtete ihn mit misstrauisch gerunzelter Stirn.
»Da übertreiben Sie aber ein bisschen. Wir sind vier Personen, die sich einmal im Monat treffen und ein paar Stunden spielen. Hauptsächlich, weil wir uns gerne sehen. Niemand gewinnt Geld, sondern alles, was jemand an dem Abend erspielt, fließt in die gemeinsame Kasse. Da geht es schlimmstenfalls um tausend Kronen. Oder bestenfalls«, fügte er hinzu. »Kommt drauf an, wie man es betrachtet.«
»Sie sagen, dass dabei niemand Geld gewinnt«, bemerkte Westman. »Aber diese tausend Kronen, von denen hier die Rede ist, muss doch trotzdem irgendjemand verloren haben?«
»Natürlich, aber dabei geht es meistens um zwei oder drei Personen. Das sind ja, wie gesagt, keine großen Summen, um die wir da spielen.«
»Wie viel Geld haben Sie dann letztlich gestern Abend verfeiert?«, wollte Hamad wissen.
Jenner schüttelte den Kopf und seufzte.
»Wenn ich mich recht erinnere, waren es etwa siebeneinhalbtausend. Ich kann Ihnen versichern, dass niemand …«
»Und wer musste für den Spaß bezahlen?«, unterbrach ihn Hamad.
Staffan Jenner seufzte noch einmal, antwortete aber, ohne zu murren.
»Dieses Mal hatte Janne den größten Anteil. Aber letztes Jahr …«
»Und wer hat am wenigsten bezahlt?«
Für ein paar Sekunden blieb es still.
»Svempa«, antwortete Jenner nach kurzem Zögern und schaute auf seine Hände hinunter.
»Hat er vielleicht geschummelt?«, schlug Westman vor.
In Staffan Jenners trauriges Gesicht verirrte sich plötzlich ein Lächeln.
»Ganz bestimmt nicht. Das lag einfach nicht in seiner Natur. Svempa war die personifizierte Ehrlichkeit. Außerdem war er sehr gläubig.«
»Er war kirchlich aktiv?«
»Nein, aber christlich aktiv, wenn man es so ausdrücken möchte.«
»Was meinen Sie damit?«
Staffan Jenner breitete seine Arme in einer Geste aus, die ihn selbst fast wie einen freikirchlichen Prediger erscheinen ließ.
»Er hatte ein großes Herz. Er half den Menschen in seiner Umgebung. Er war immer da, wenn man ihn brauchte. Für seine Familie, seine Freunde und, soweit ich weiß, auch für den Fußballverein. Er hat Essen und
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