Falsch gespielt: Kriminalroman (German Edition)
noch im Kopf herumspuken. Wer hatte eigentlich was gewonnen? Am Ende standen sie doch alle als Verlierer da.
*
Nachdem sie eine Weile mit der Verwaltung von TV4 debattiert hatten, kamen sie schließlich mit der Reporterin in Kontakt, die den Beitrag über den Wohnwagenstellplatz der Obdachlosen gedreht hatte. Sie war sehr hilfsbereit gewesen und hatte ihnen die Namen derer gegeben, die sie kannte, und ihnen den Weg zu der Waldlichtung in Huddinge beschrieben, auf der sich Andersson und Sandén jetzt befanden.
Der Platz war kaum wiederzuerkennen. Was in den Fernsehbildern wie ein struppiges Dickicht aus nackten, bedrohlichen Bäumen ausgesehen hatte, grau, still und abweisend, erschien ihnen jetzt als moosbewachsener Zauberwald wie aus einem Märchen. Feuchte schwedische Sommerdüfte schlugen ihnen entgegen, als sie aus dem Auto stiegen, und es war nicht schwer zu verstehen, warum man sich diesen Ort für seinen schäbigen Wohnwagenpark ausgesucht hatte.
Überall waren Leute in Bewegung; jemand hängte Wäsche auf einer Leine auf, die zwischen einem Wohnwagen und einem Baum aufgespannt war, ein anderer versuchte ein Metallrohr durchzusägen. Eine Frau saß in einem Campingstuhl und rauchte, und ein paar Männer streunten herum, die anscheinend nichts Konkretes zu tun hatten. Die Blicke, die den beiden Polizisten begegneten, waren neugierig, nicht misstrauisch, aber niemand sagte etwas.
Der Wohnwagen, der sie am meisten interessierte, stand noch am selben Ort wie in der Reportage, und die Tür war geöffnet. Sandén klopfte vorsichtig neben dem Eingang an die Wand.
»Ja?«, ließ sich eine Frauenstimme aus dem Inneren vernehmen.
»Darf man reinkommen?«, fragte er und steckte den Kopf in die Öffnung. »Wir würden Ihnen gerne ein paar Fragen stellen.«
»Sind Sie vom Sozialamt?«
»Nein, von der Polizei.«
»Aha. Ja, kommen Sie rein. Wir haben uns nichts vorzuwerfen.«
»Davon bin ich überzeugt«, antwortete Sandén mit einem Lachen, während er mit Andersson im Schlepptau in den Wagen kletterte.
Die Frau, die etwa fünfzig Jahre alt sein mochte, war dieselbe wie in dem Fernsehbeitrag. Sie sah frisch gewaschen aus, saß mit nassen Haaren am Tisch und trank Tee. Sie trug ein übergroßes schwarzes T-Shirt, und unter dem Tisch schauten zwei nackte Beine aus einer abgeschnittenen Jeans heraus. Es roch nach Shampoo und Zigarettenrauch.
»Jens Sandén, Hammarbypolizei. Das ist Odd Andersson. Sie sind Gunilla Mäkinen?«
Sie antwortete mit einem Nicken.
»Wir suchen auch Svante Boberg und Roger Lindström.«
»Und alle anderen, die Sven-Gunnar Erlandsson kennen«, ergänzte Andersson.
»Das sind wohl nur wir drei. Es wissen zwar alle, wer er ist, aber besuchen tut er nur uns. Svante sitzt im Bau, wegen Diebstahls. Drei Monate, er kommt Anfang Oktober raus.«
»Und Lindström?«
»Roger? Hier ist jemand, der mit dir sprechen möchte.«
Andersson zuckte zusammen. Er hatte keinen Gedanken daran verschwendet, dass sich eine weitere Person in dem kleinen Wohnwagen aufhalten könnte, und von der Schlafnische war bislang kein Lebenszeichen zu hören oder zu sehen gewesen.
»Er ist noch nicht aufgestanden«, erklärte die Frau mit einem Lächeln, das leider eine Zahnreihe entblößte, die sich ziemlich negativ auf ihren Gesamteindruck auswirkte.
Jetzt begann sich drüben im Bett etwas zu bewegen, und ein grunzendes Geräusch ließ sich vernehmen.
»Möchten Sie einen Tee?«, fragte die Frau.
Andersson wollte spontan ablehnen, doch als Sandén das Angebot annahm, kam er nach kurzer Überlegung zu dem Schluss, dass man gekochtes Wasser wohl ebenso gut in einem klapprigen Wohnwagen trinken konnte wie an jedem anderen Ort.
»Danke, gerne auch eine Tasse Tee für mich«, antwortete er und schaute sich um.
Der Wohnwagen war zwar schon ziemlich mitgenommen und anscheinend auch kein besonders modernes Modell, aber er machte einen sauberen und aufgeräumten Eindruck. Schließlich war er ein Zuhause, Menschen lebten hier ihr Leben. Nach bestem Vermögen.
Einige Minuten später saßen sie zu viert am Tisch und tranken Tee. Roger Lindström war ein paar Jahre jünger als Gunilla Mäkinen, aber nicht so gut erhalten. Auch in seinem Mund offenbarte sich die eine oder andere Zahnlücke, und sein Gesicht war von Falten und Narben durchzogen. Dass er einen langjährigen multiplen Substanzmissbrauch hinter sich hatte, war keine besonders gewagte Einschätzung. Immerhin hatte er sich eine Jogginghose übergezogen, aber sein
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