Falsch gespielt: Kriminalroman (German Edition)
einen Sommer in Schweden verbringen können. Manchmal auch die Weihnachtszeit. Man möchte damit erreichen, dass sie ein Gefühl dafür bekommen, wie es ist, in einer Familie zu leben, und darüber hinaus sollen sie sich natürlich erholen und den schwedischen Sommer genießen. Und den Wohlstand. Das Konzept funktioniert prächtig, und die Familien erhalten den Kontakt zu den Kindern oft auch dann noch aufrecht, wenn sie das Heim schon verlassen haben. Hin und wieder ist es sogar vorgekommen, dass Familien ihre Sommerkinder adoptiert haben.«
»So was nenne ich wirklich großzügig«, sagte Hamad.
»Jetzt warte erst einmal ab. Dieses Mädchen war elf Jahre alt und hieß Larissa Sotnikova. Am Ende der Sommerferien, eine Woche, bevor sie nach Hause fahren sollte, war sie plötzlich verschwunden. Spurlos. Es gab einen riesigen Polizeieinsatz, alles wurde durchkämmt, und die ganze Nachbarschaft half mit. Aber man hat sie nie gefunden. Staffan Jenner stand natürlich mehrere Monate lang im Fokus der Ermittlungen, aber man konnte ihm nie nachweisen, dass er irgendetwas mit ihrem Verschwinden zu tun hatte. Er beharrte darauf, dass das Mädchen noch am Leben sei, dass sie abgehauen wäre und sich irgendwo im Land verstecken würde. Sie sei nämlich nicht besonders scharf darauf gewesen, wieder nach Hause zu fahren. Das sei auch in den vorhergehenden Jahren schon so gewesen. Was vermutlich stimmte. Oder schlimmstenfalls, dass sie abgehauen sei, und dann wäre ihr etwas zugestoßen. Wie auch immer, Jenner leugnete hartnäckig, dass er irgendetwas damit zu tun hatte. Aber die Polizei glaubte ihm nicht. Und seine Frau ebenso wenig, darf man vermuten. Schließlich hat sie sich ein Jahr später das Leben genommen. Aber Staffan Jenners Theorie, wie alles abgelaufen sein könnte, war ja trotz allem nicht ohne Hand und Fuß. Es kommt nicht selten vor, dass Flüchtlingskinder sich freiwillig aus dem Staub machen. Sie war zwar kein Flüchtlingskind, sondern ein Sommerkind, aber trotzdem. Und wer kümmert sich schon darum? Es ist ja nur ein Kind von irgendwo anders. Das keine Lücke hinterlässt, das niemand vermisst.«
»Sieh mal an«, fasste Andersson zusammen, was alle dachten.
»Er war schon ein bisschen zwielichtig, dieser Jenner«, sagte Hamad. »Saß da und murmelte vor sich hin.«
»Eine schräge Type«, bestätigte Westman.
»Und ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass er uns etwas vorenthalten wollte«, fuhr Hamad fort.
»Wahrscheinlich das hier«, stellte Sjöberg fest. »Was auch nicht besonders überraschend ist, ganz egal, ob es mit unserem Fall zu tun hat oder nicht.«
»Vielleicht hat Erlandsson herausgefunden, was er getan hat, und gedroht, ihn auffliegen zu lassen«, schlug Sandén vor.
»Durchaus denkbar. Aber ihr solltet nicht vergessen, dass bislang keine Leiche gefunden wurde. Es ist ja noch nicht einmal sicher, dass sie tot ist«, wandte Gerdin ein.
»Ich schlage trotzdem vor, dass Petra und Jamal weiter diese Spur verfolgen«, sagte Sjöberg. »Gäddan und ich werden noch einmal mit der Familie Erlandsson sprechen, aber zuerst besuche ich die SEB-Hauptverwaltung am Kungsträdgården. Das erledige ich allein, dann kannst du dich unterdessen um das Melderegister und das Kriminalregister kümmern. Und auf diese Menschen in dem Wohnwagen wird man natürlich auch neugierig. Loddan und Sandén, ihr findet heraus, wer sie sind und was sie so zu sagen haben.«
Andersson hatte keine Einwände.
»Süßes Ding, das da am Anfang zu sehen war. Ich kümmere mich um die Mädels, du übernimmst die zahnlosen Alten«, lachte er und gab Sandén einen kräftigen Klaps auf den Rücken.
Die Besprechung war beendet.
*
Sjöberg saß in einem verglasten Konferenzraum im dritten Stock der SEB-Hauptverwaltung an der Kungsträdgårdsgatan. Ihm gegenüber saß eine von Sven-Gunnar Erlandssons Arbeitskolleginnen, die ihm als Kristina Wintherfalck angekündigt worden war. Sie sah allerdings nicht einmal halb so blasiert aus, wie der Name vermuten ließ, und er musste sich selbst – er wusste nicht, zum wievielten Mal – daran erinnern, dass die allermeisten Menschen keinen Einfluss darauf hatten, wie sie hießen. Wie zum Beispiel er selbst. Sie war um die fünfundvierzig Jahre alt, braungebrannt und hatte lange blonde Haare, die sie zu einem einfachen Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. Ihren schwarzen Blazer hatte sie über ihren Stuhl gehängt und lehnte sich jetzt mit übereinandergeschlagenen Beinen in einem
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