Falsch gespielt: Kriminalroman (German Edition)
knielangen, schwarzen Rock und einer weißen Bluse zurück. In der Hand hielt sie einen Stapel Papiere, mit dem sie mechanisch vor ihrem Gesicht wedelte. Es war sehr warm in dem Glaskäfig, und man konnte kein Fenster öffnen.
Kristina Wintherfalck und Erlandsson hatten Seite an Seite in dem großen Tradingsaal gearbeitet und ihre Tage damit verbracht, Optionen, Termingeschäfte, Wechsel und alles mögliche andere zu kaufen und zu verkaufen, von dem Sjöberg kaum verstand, worum es dabei ging. Mitte der Neunzigerjahre hatten sie dasselbe auch schon in Singapur getan, was Wintherfalck zu einer Person machte, deren Befragung in diesem Zusammenhang besonders interessant zu werden versprach.
»In Ordnung. Der Mann war absolut in Ordnung«, beantwortete sie Sjöbergs Frage, wie sie Erlandsson als Person einschätzte. »Er war immer da, wenn man Hilfe brauchte. War immer bereit, für einen einzuspringen, wenn man krank war oder dringend freinehmen musste. Behandelte alle gleich, das heißt mit Respekt. Hier kann manchmal eine ziemlich machohafte Stimmung herrschen, aber er war überhaupt nicht so.«
»Ich habe den Eindruck gewonnen, dass er eine sehr dominante Person gewesen sein muss. Würden Sie dem zustimmen?«
»Ja, sicher. Allerdings auf eine positive Weise. Er hatte keine Angst davor, seine Meinung zu sagen. Aber wir waren uns im Großen und Ganzen immer einig, sodass es mich nicht im Geringsten gestört hat.«
»Und die anderen?«
»Er war nicht besonders streitlustig, also war es auch für sie kein Problem. Er sagte eher, was alle anderen – oder die meisten anderen – auch dachten.«
»Und die Chefs hatten auch kein Problem damit?«
»Ganz und gar nicht. Svempa war sehr diplomatisch und wusste, wie man sich ihnen gegenüber ausdrücken musste.«
»Er hatte also keine direkten Feinde?«
»Nein, das kann ich mir nur sehr schwer vorstellen«, antwortete sie mit einem traurigen Lächeln. »Er war überall sehr beliebt.«
»Und in Singapur«, fragte Sjöberg, »wie war es dort? Ist dort etwas Besonders passiert?«
Mit drei Fingern strich sie eine Haarsträhne zurück, die aus dem Pferdeschwanz gerutscht war, und dachte ein paar Sekunden nach, bevor sie antwortete.
»Alles war besonders in Singapur, irgendwie aber auch nichts. Wir haben dort genauso gearbeitet wie hier, mit denselben Sachen. Aber das Leben drumherum war natürlich vollkommen anders. Für Svempa war wahrscheinlich das Wichtigste, dass er seine neue Frau dort kennengelernt hat.«
»Können Sie mir ein bisschen davon erzählen?«
»Haben Sie noch nicht mit ihr darüber gesprochen?«
»Doch, aber ich möchte gern Ihre Version hören.«
Was halb gelogen war. Er hatte zwar mit Adrianti Erlandsson gesprochen, aber nicht darüber. Es war die falsche Situation für ein solches Thema gewesen, aber im Laufe des Tages würde er es nachholen.
»Er war gerade erst Witwer geworden, als er sich für den Job in Singapur bewarb. Seine Frau ist ungefähr zu der Zeit an Brustkrebs gestorben, als ich zusammen mit einer Arbeitskollegin nach Singapur gegangen bin. Er hat sich davon wohl inspirieren lassen und gedacht, dass ihm und den Kindern ein Ortswechsel guttun würde. Und ich glaube, dass er damit recht hatte, denn die ganze Familie schien sich dort wohlzufühlen. Die Kinder lernten außerdem fließend Englisch. Wie auch immer – die Golfspieler unter uns fuhren hin und wieder nach Indonesien hinüber, mit dem Boot dauerte es weniger als eine Stunde. Svempa spielte kein Golf, aber er ist trotzdem ein paar Mal mitgefahren, um es auszuprobieren. Auf einer dieser Reisen begegnete er Adri – ich glaube sogar, dass sie ihm als Caddie zugeteilt worden war. Ja, so ist das gelaufen. Schließlich ist er jedes Wochenende hinübergefahren, mit Kind und Kegel, und dann haben sie geheiratet und sind zurück nach Schweden gezogen.«
»Und was haben Sie und Ihre Kollegen darüber gedacht?«, wollte Sjöberg wissen.
»Wir haben uns für ihn gefreut. Es war genau das, was er und die Kinder brauchten. Und für Adri war es auch gut. Sie haben es nicht so einfach dort drüben. Schinden sich kaputt für die reichen Singapurer, die zu ihnen kommen und den dicken Mann markieren. Irgendwie typisch Svempa, nicht nur sich selbst zu helfen, sondern auch jemand anderem. Es war eine Win-win-Situation. Ganz eindeutig.«
Sjöberg fielen keine weiteren Fragen ein, also ließ er das Gespräch damit enden. Das Wort »Win-win-Situation« würde ihm während der ganzen Ermittlungen
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