Falsch gespielt: Kriminalroman (German Edition)
call,
It’s such a lonely world.
Er spürte, wie sich die Haare auf seinen Armen aufrichteten, je länger er zuhörte.
*
Sandén langweilte sich zu Tode. Es war ein ganz gewöhnlicher Montag in der ganz normalen Wirklichkeit, mit Papierkram und anderen weniger wesentlichen Aufgaben. Er fühlte sich ausgelaugt, unfähig zu konstruktiven Gedanken. Doch wie üblich hatte Andersson sein Leben erleichtert. Dieses Mal mit den Zeichnungen, die er über den Schusswechsel in Forssjö angefertigt hatte und die aussahen, als kämen sie direkt aus einem »Agent X9«-Comic. Dass sich Loddan neben der Musik auch ein wenig der Zeichenkunst widmete, war Sandén bekannt gewesen, aber dass er auch darin so begabt war, hatte er nicht geahnt. Ohne Anderssons Vorlage wäre die Arbeit an dem Bericht wesentlich mühsamer gewesen, und als er die Mühen des Schreibens hinter sich gebracht hatte, ging Sandén zu Anderssons Büro hinüber, um sich bei ihm zu bedanken und ein bisschen zu plaudern.
Andersson bemerkte nicht, wie er hereinkam, er hatte seinem Schreibtisch den Rücken zugedreht und starrte aus dem Fenster. Aus seinen Ohren hingen zwei weiße Kabel, also ging Sandén zu ihm und klopfte ihm sanft auf die Schulter. Andersson zuckte zusammen und drehte sich mit einer tiefen Furche zwischen den Augen zu ihm um.
»Dieses Lied musst du dir anhören«, sagte er, zog die Ohrhörer heraus und hielt sie Sandén hin. »Das hat mir heute Morgen in den Ohren geklingelt, als ich aufgewacht bin.«
Sandén, der Anderssons großes Interesse für Musik in keiner Weise teilte, wusste nicht, was er davon halten sollte, aber er tat, wozu er ihn aufgefordert hatte. Und die Klangqualität war so gut, dass er sich sogar den Text zu Gemüte führen konnte.
Then I knew that you were gone,
It came to me, I was alone.
Now I’m left out in the cold
But the story’s far from told,
It’s such a lonely world.
It’s like Latitude 88 North,
It’s so cold, cold as hell.
35 below and falling,
How I wish that she was calling me.
»Na, woran denkst du, wenn du das hörst?«, fragte Andersson, als die Musik in Sandéns Ohren verklungen war.
»Ich denke, dass wir ein paar Worte mit Sjöberg wechseln sollten«, antwortete Sandén mit einem schiefen Lächeln. »Dass zumindest wir beide glauben, dass …«
»… the story’s far from told «, ergänzte Andersson.
*
Westman hatte während der Nacht höchstens zwei Stunden geschlafen, und trotzdem fühlte sie sich energiegeladen. Diese Energie musste sie leider in eine andere Richtung kanalisieren als in die gewünschte. Aber sie würde ihr hoffentlich noch eine ganze Weile erhalten bleiben – wenn ihre Instinkte sie nicht täuschten, wenn die Gefühle von beiden Seiten gleichermaßen himmelsstürmend waren. Immerhin hatten sie die Nacht gemeinsam bei ihr zu Hause verbracht, sodass es zumindest nicht in einem unmittelbaren »Vielen Dank und leb wohl« geendet hatte. Und im Laufe des Tages hatten sie etliche Blicke getauscht, hatten sich immer wieder scheinbar zufällig berührt. In der Küche, wenn sie sich im Flur begegneten, während des Spaziergangs zu Lisas Café, wo sie gemeinsam mit den anderen zu Mittag gegessen hatten.
Es war eine Herausforderung. Seite an Seite professionell zu arbeiten und dabei auszublenden, was neben der Arbeit geschah, was im Körper und in den Gedanken passierte. In Sachfragen mussten sie sich objektiv verhalten, kritisch, sie mussten als zwei Individuen in der Gruppe arbeiten und nicht als ein Paar. Und auf gar keinen Fall überkompensieren. Indem sie zum Beispiel während eines ganzen Arbeitstages vermieden, miteinander zu sprechen, obwohl sie eigentlich jede Menge zu diskutieren hatten, was die Arbeit betraf.
Sie versuchte in sich hineinzuhorchen, wie sie die Situation eigentlich einschätzte. Versuchte, den romantischen Schleier wegzuziehen, der sich über ihr Dasein gelegt hatte, und konstruktiv darüber nachzudenken. Und musste, während sie ihren Bericht zusammenstellte, einsehen, dass die ganze Arbeit, die sie in der vorhergehenden Woche geleistet hatte, vergeblich gewesen war. Vollkommen in den Wind geschossen. Weil weder Siem, noch Wiklund oder Jenner in den Mord an Sven-Gunnar Erlandsson verwickelt waren. Weil ein verschwundenes russisches Sommerkind nichts mit Simon Tampler und seinen Mordfantasien zu tun hatte und auch nichts mit ihr und ihren Kollegen. Und folgerichtig auch nichts mit dem nervösen Staffan Jenner oder dem Mädchenschwarm Lennart Wiklund,
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