Falsch gespielt: Kriminalroman (German Edition)
wirklich ernst zu werden. Plötzlich hatte sie etwas gefunden.
Ihre Berichte hatte sie schon am Morgen schnell zusammengeschustert und anschließend den Bildschirm abgeschaltet, die Tür geschlossen und sich mit hinter dem Nacken verschränkten Händen in ihrem Stuhl zurückgelehnt, um alles noch einmal zu durchdenken. Und sie war zu dem Schluss gekommen, dass die Ermittlungen ihren Maßstäben nicht genügten. Dass es zu viele lose Enden gab. Dass sie bei dem Durcheinander während Simon Tamplers Festnahme nicht alle Sinne beisammen gehabt hatten, dass sie zu viel dem Zufall überlassen hatten. Aber es war noch einmal gut gegangen, und noch konnte man alles wieder in die richtige Spur bringen. Tampler war der Mörder, daran gab es keinen Zweifel. Aber alles andere? Es gab noch viele Fragezeichen, die geradegebogen werden mussten. Warum hatte jemand einen Satz Spielkarten in Erlandssons Tasche hinterlassen? Dieser Jemand konnte jedenfalls kaum Erlandsson selbst gewesen sein, denn sie hatten keine Fingerabdrücke gefunden, und der Mörder selbst leugnete standhaft. Konnte jemand anderes sie in die Brusttasche hineingeschmuggelt haben? Wenn ja, wer und warum? Oder log der gute Simon Tampler etwa doch? Aber warum sollte er das tun: einen Mord gestehen, aber leugnen, dem Opfer vier Spielkarten in die Tasche gesteckt zu haben? Dead man’s hand noch dazu, was ja kaum ein Zufall gewesen sein konnte. Vielleicht dachte sie aber auch in zu engen Bahnen. Diese Spielkarten mussten doch eine Funktion erfüllen!
Also hatte sie sich erneut vor den Rechner gesetzt und versucht, ihre Perspektive zu erweitern, und allmählich begann es zu wirken. Während sie den Bildschirm hinunterscrollte und sich die Treffer einen nach dem anderen anschaute, war plötzlich etwas ganz anderes aufgetaucht als als die todbringende Pokerhand des Wild Bill Hickok. Etwas, das von einem plötzlichen, gewaltsamen Tod so weit entfernt war, wie man es sich nur vorstellen konnte. Nämlich eine Koralle. »Tote Mannshand, Weichkoralle, Alcyonium digitatum , eine Art aus der Unterklasse der achtstrahligen Korallen. Die Tote Mannshand bildet etwa zehn Zentimeter hohe, blasse, verzweigte Kolonien, die an eine aufgedunsene Menschenhand erinnern können. Die Art ist auf felsigen Untergründen vor der schwedischen Westküste verbreitet.« So die Internetversion der Schwedischen Nationalenzyklopädie.
Sie suchte weiter im Netz, wollte so viel wie möglich über diese Kolonie kleiner Korallentiere herausfinden, stieß aber auf nichts Interessantes. Bis sie stattdessen nach Alcyonium digitatum zu suchen begann. Und ganz plötzlich wieder auf Flashback landete.
*
»Bevor wir beginnen, möchte ich, dass auch Petra und Jamal sich dieses Lied anhören«, sagte Sjöberg. »Das ist jetzt vielleicht ein bisschen unorthodox, aber trotzdem. Nehmt es ernst, und betrachtet es als Inspiration für die zukünftige Arbeit.«
Westman und Hamad schauten einander verwundert an, als Andersson ihnen seine Ohrhörer reichte, aber sie hörten zu. Zunächst mit einem Lächeln auf den Lippen, dann aber mit zunehmendem Ernst. Sjöberg bemerkte, dass Hamad schlucken musste, was sehr gut zu anderen Beobachtungen passte, die er in den vergangenen Tagen gemacht hatte: Seit dem Schusswechsel war Hamad ganz schön aus dem Gleichgewicht geraten. Aber die Botschaft hatte auch Sjöberg die Kehle zusammengeschnürt – ihnen allen, wie er vermutete.
Frozen shadows in the doorways,
They will linger there always.
And as the dawn begins to break,
She’s gone it’s hard to take,
It’s such a lonely world.
It’s like Latitude 88 North,
It’s so cold, cold as hell.
35 below and falling,
How I wish that she was calling me.
»Loddan«, sagte Sjöberg. »Wie machen wir weiter?«
»Wir finden heraus, wo Rebecka Magnusson steckt«, antwortete Andersson mit einer Entschlossenheit, die untypisch für ihn war. »Und wir werden suchen, bis wir sie gefunden haben.«
»Petra?«
»Wir werden herausfinden, was mit Larissa Sotnikova passiert ist«, antwortete Westman.
»Und mit Dewi Kusamasari«, ergänzte Sjöberg. »Wir haben drei verschwundene Mädchen. Selbstverständlich werden wir sie finden.«
»Alle drei Mädchen müssen als besonders gefährdet eingestuft werden«, bemerkte Sandén. »Zwei von ihnen sind behindert, und eine ist ein russisches Heimkind, sehr jung bei ihrem Verschwinden und ohne große Sprachkenntnisse.«
»Dazu haben wir noch eine beträchtliche Anzahl unbeantworteter
Weitere Kostenlose Bücher