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Falsch gespielt: Kriminalroman (German Edition)

Falsch gespielt: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Falsch gespielt: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carin Gerhardsen
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dessen zu erkennen, was ihn umgab, der Natur, der Menschen, des Universums. Zu akzeptieren, dass nicht alles um ihn selbst kreiste.
    Er ließ seine Kleider und die Decke auf den Strand fallen und watete in den See hinaus, bis ihm das Wasser bis zum Nabel reichte. Dann ließ er sich fallen und begegnete der Kälte mit einem tiefen Atemzug. Der Mond, der am frühen Abend noch am Himmel gestanden hatte, war jetzt untergegangen. Es war stockdunkel, abgesehen von ein paar erleuchteten Fenstern auf der anderen Seite des Sees und den leuchtenden Sternen. Nur er, das Wasser und die Dunkelheit, in einer wundervollen, bedingungslosen Einheit. Er ließ sich auf dem Rücken treiben und breitete die Arme aus. Ließ sich die Ohren bedecken und von der Kraft des Wassers tragen. Ohne sich zu bewegen, trieb er mit einem Lächeln auf den Lippen unter den Sternen dahin und war vollkommen zufrieden mit sich selbst und seiner Winzigkeit. Da spürte er plötzlich eine Bewegung im Wasser.
    Er wurde nicht ängstlich, aber seine Neugier war geweckt. Er ließ den Unterkörper abwärts sinken, bis die Füße den Grund berührten. Langsam stellte er sich auf, das Wasser reichte ihm jetzt bis zum Kinn. Er lauschte, spähte, hörte das Geräusch eines Körpers, der sich im Wasser bewegte, jemand, der in seine Richtung schwamm. Meinte eine Silhouette erahnen zu können, Kopf, Schultern, Bewegung. Immer näher, keine Worte, nur das Geräusch von plätscherndem Wasser, von Händen, die widerstrebende Kräfte zur Seite drückten. Er bewegte sich nicht, stand nur da und nahm ohne Worte das Leben entgegen, das in seine Arme schwamm, dessen Arme sich um seinen nackten Leib schlangen, dessen Hände sich hinter seinem Nacken verschränkten und dessen Beine sich um ihn schlossen. Das war alles, und es war viel mehr, als er jemals zu träumen gewagt hatte.
    Schließlich trug er sie an den Strand und legte sie an der Wasserkante ab. Gemeinsam breiteten sie die Decke aus und liebten sich noch einmal unter den Sternen. Und noch einmal.
    Als es halb sechs wurde, krochen sie in ihre Betten oben im Gästezimmer, damit Andersson keinen Verdacht schöpfte, wenn er erwachte und die Betten leer waren.

Montagnachmittag
    Odd Andersson saß am Schreibtisch und drehte buchstäblich Däumchen. Am Sonntagabend hatte er Mercury bei seiner Mutter, Molly, abgegeben, und der Junge hatte, wie immer, eine große Leere hinterlassen. Aber das Wochenende war großartig gewesen, sein Sohn liebte es, mit den Sjöberg-Kindern zu spielen, und sie beide waren müde, aber glücklich nach Stockholm zurückgekehrt. Der heutige Tag fühlte sich dagegen ganz anders an. Die Euphorie des Wochenendes hatte sich gelegt und war einer Stimmung gewichen, die am ehesten einem Kater glich. Die Dramatik des vergangenen Donnerstags, der Ernst der Situation waren näher an ihn herangekrochen, sie waren mit wachsendem Abstand wirklicher geworden, als er sie in der Hitze des Gefechts erlebt hatte.
    Am Vormittag hatte er Papierkram erledigt. Das war seine schwächste Disziplin, aber seine Zeichnungen hatten ihm und den anderen dabei geholfen, die Ereignisse in Forssjö zu sortieren und zu Papier zu bringen. Anschließend hatte er dafür gesorgt, dass auch alle anderen Akten auf den aktuellen Stand gebracht wurden, aber jetzt, wo die Arbeit getan war, fühlte er sich immer noch nicht zufrieden. Normalerweise war es eine große Erleichterung, wenn er die unangenehme Schreibarbeit hinter sich gebracht hatte, aber heute verhielt es sich anders.
    Am Morgen war er mit einer Melodie im Kopf aufgewacht, was ihm häufiger passierte. Manchmal setzte er sich dann mit der Gitarre auf die Bettkante und zupfte die passenden Akkorde, um den Song danach auf seine eigene Art abzuarbeiten. Als Morgengymnastik und damit er gute Laune bekam. Aber an diesem Morgen hatte er die Gitarre nicht angerührt, das Lied hatte ihn einfach nur deprimiert. Er wusste nicht, warum, er hatte es seit Urzeiten nicht mehr gehört und konnte sich nicht einmal mehr an den Text erinnern. Aber es ließ ihn nicht in Ruhe. Jeff Lynne sprach zu ihm aus dem Unterbewusstsein, und Andersson war sich nicht sicher, ob er wissen wollte, was er zu den Tönen dieser melancholischen Melodie zu sagen hatte. Schließlich steckte er sich die Ohrhörer ein und suchte »Latitude 88 North« von Electric Light Orchestra auf seinem iPod heraus.
    The iceman came to me tonight,
So very near but out of sight.
I heard the footsteps in the hall
And I heard a cold voice

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