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Falsch

Falsch

Titel: Falsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
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Fluggäste und verschwinden Sie so rasch wie möglich«, meinte er und fuhr sich mit der Hand über die Augen. »Es reicht, wenn ich mir das Gezeter der Behörden anhöre.«
    Fiona nickte müde. »Kommen Sie nach?«
    »Nein, ich gehe nach Hause. Schon vergessen? Ich habe hier eine Wohnung.« Er lächelte. »Aber trotzdem vielen Dank für die Einladung.«
    Die junge Frau schlüpfte aus dem Cockpit, und Finch lehnte sich zurück und streckte sich. Er hätte seine neue Kreditkarte darauf verwettet, dass Fiona eine auffallend rote Gesichtsfarbe hatte, als sie durch die Tür verschwunden war …

5
DER ANSCHLAG

São Gabriel da Cachoeira,
Rio Negro/Brasilien
    Die Nacht war lau und fast sternenklar, die dünne Wolkenschicht, die sich vor den Mond geschoben hatte, war wieder in zahllose Schäfchenwolken zerstoben. John Finch saß auf der Terrasse seiner Wohnung in seinem Lieblingslehnstuhl, ein Glas zehnjährigen Laphroaig-Whisky in der Hand, und ließ den Tag Revue passieren. Er war zwar müde, aber der Blick auf den gemächlich dahinfließenden Rio Negro beruhigte ihn und spülte die Reste an Adrenalin aus seinem Blutkreislauf.
    So würden die Alpträume nicht kommen, die ihn sonst nach solchen Extremtouren immer aus dem Schlaf rissen.
    Der Mond stand am westlichen Nachthimmel wie ein Lampion, den jemand vergessen hatte abzunehmen. Bis auf ein paar Geräusche des Dschungels, in dem nachtaktive Jäger die Herrschaft übernommen hatten, war es still. In dem kleinen Ort am Rio Negro dauerten die Abende nie lange, man feierte nicht bis in die frühen Morgenstunden. Bösartige Zungen behaupteten, die Gehsteige würden um acht Uhr abends eingerollt, die Zahl der nächtlichen Attraktionen war überschaubar.
    Wer nicht im Babylon trank oder hurte, der lag im Bett.
    Finch nahm einen Schluck und genoss den torfigen Geschmack des Islay-Whiskys. Er erinnerte ihn an die langen Tage in Schottland, als er einmal im Auftrag eines großen arabischen Getränkehändlers Ende der siebziger Jahre eine ganze Flugzeugladung Whisky abholen und nach Kairo transportieren sollte. Damals war sein Lieblingsgetränk Cognac oder Armagnac gewesen, und so hatte ihn wie immer eine Flasche Chateau de Millet auf seinem Flug begleitet.
    Die Brennereien auf der Insel waren jedoch mit dem Auftrag nicht rechtzeitig fertig geworden, und so war Finch auf dem kleinen Islay Glenegedale Airport gestrandet. Nach einem Anruf bei seinem Auftraggeber hatte rasch festgestanden, dass er auf seine Fracht warten sollte. Der Importeur würde für alle seine Spesen aufkommen. Nachdem Finch seinen ziemlich leeren Terminkalender durchforstet hatte, war er zu dem Entschluss gekommen, auf Islay zu bleiben und zu warten.
    Keine Fracht, keine Passagiere – und die südlichste Insel der Inneren Hybriden war auch damals nicht gerade als Mittelpunkt des Jet-Sets bekannt. So war die einzige mitgebrachte Flasche rasch geleert und auf Nachfrage stellte sich das Getränkeangebot auf dem schottischen Eiland als äußerst einseitig heraus: mittelmäßiges Bier und einheimischer Whisky. John entschied sich, ohne zu zögern, für Zweiteres und für ein kuscheliges Bed & Breakfast, in dem sich die Stürme, die regelmäßig über die Insel brausten, vor einem offenen Kamin aushalten ließen.
    Wenn es gerade nicht wehte oder regnete, dann unternahm er lange Spaziergänge über den Big Strand bis nach Laggan Point, zum alten Vermessungspunkt am Eingang zu Loch Indaal. Selten begegnete er dabei jemandem, meist lag die Küste völlig verlassen da. Die kalte Seeluft roch nach Tang und Fernweh.
    Finch wanderte stundenlang auf dem breiten Sandstreifen oder setzte sich ins Gras, schaute den Möwen bei ihren waghalsigen Flugmanövern zu und der Sonne nach, wenn sie im Westen zwischen den Wolkenschichten im Meer versank. Von hier nach Neufundland waren es mehr als dreitausend Kilometer über einen eisigen und trügerischen Atlantik. Eine Herausforderung für jeden Piloten.
    Die Tage in Islay waren der erste wirkliche, wenn auch unfreiwillige Urlaub gewesen, den er bis dahin jemals gemacht hatte. Nichts hätte weiter entfernt von dem heißen, turbulenten, gefährlichen und mondänen Kairo sein können. Der Kontrast faszinierte Finch Tag für Tag aufs Neue. Hier roch die Luft jeden Morgen wie frisch gewaschen, das Grün der Wiesen und Hügel kontrastierte mit den niedrigen weißen Häusern, den blühenden Ginsterbüschen und dem blauen Meer. Tausende von Schafen zogen scheinbar völlig frei über die

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