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Falsch

Falsch

Titel: Falsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
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»Ja … ja, ich bin noch da. Und ich denke nicht im Traum daran, Ihnen bei irgendetwas zu helfen. Der Bulli war alles, was ich hatte. Das Nächste, was Sie anzünden können, ist meine Hose. Etwas anderes ist mir nicht mehr geblieben.«
    »Auch ein Porsche brennt leicht ab«, meinte der Anrufer leichthin. »Nur der Schaden ist etwas größer, und Sie würden die nächsten zehn Jahre damit beschäftigt sein, ihn zurückzuzahlen. Und wenn Sie das nicht beeindruckt, ist da immer noch Ihr Freund Martin … Jedem kann etwas zustoßen.«
    »Das würden Sie nicht wagen«, flüsterte Chris und spürte, wie sich die Kälte in seinem Bauch ausbreitete.
    »Was glauben Sie, wie die Bornheims darauf reagieren würden, wenn sie die Leiche ihrer Tochter in einem Straßengraben zwischen München und Erding identifizieren müssten? Und überall wären Ihre Fingerabdrücke, Weber … Im Porsche, auf der Kleidung, vielleicht Ihr Sperma in dem Mädchen …« Der Mann lachte leise. »Nichts ist unmöglich. Denken Sie darüber nach, lassen Sie sich das alles in Ruhe durch den Kopf gehen. Wir haben einen Tag Zeit. Dann brauchen wir allerdings Ihre Zusage.« Seine Stimme klang plötzlich gönnerhaft. »Aber ich bin mir sicher, da wird es keine Schwierigkeiten geben.« Damit legte er auf.
    Die Hände Christophers zitterten so sehr, dass er drei Versuche benötigte, um die rote Taste des Handys zu drücken.

16. November 1920,
Hotel Les Trois Rois, Basel/Schweiz
    »Drei Jahre bin ich nun bereits hier, drei wunderschöne, lange, aufregende und doch deprimierende Jahre. Mir fehlt St. Petersburg. Aber lassen Sie uns trotzdem auf die Zeit hier in der Schweiz trinken!«
    Samuel Kronstein prostete seinem Gegenüber zu, einer attraktiven, schlanken Frau mit mandelförmigen Augen und rötlichbraunen Haaren. Sie mochte um die vierzig Jahre alt sein, aber die Zeit hatte es gut mit ihr gemeint. Ihr fein gezeichnetes Gesicht war fast faltenlos, verriet nicht ihren russischen Ursprung. Natalja Fürstin Demidow, wie Kronstein von der Oktoberrevolution ins Exil getrieben und nach abenteuerlicher Flucht in Basel gestrandet, lächelte bescheiden, hob ihr Glas und erwiderte den Toast.
    »Das Schicksal hat Sie doch verwöhnt, teurer Freund«, gab sie zu bedenken und tupfte sich mit einer gestärkten Leinenserviette die Lippen ab. »Sie leben seit drei Jahren im nobelsten Hotel Basels, genießen den Luxus des sorgenfreien Lebens in einem demokratischen Land, ohne Furcht vor politischen Repressalien. Sie können gehen und kommen, wann immer Sie wollen, reisen, wohin es Ihnen beliebt, und das Leben genießen.«
    Kronstein nickte geistesabwesend. Er war mit seinen Gedanken woanders, weit fort, bei einem jungen Mann mit runder Nickelbrille, von dem er nach dessen Abreise nie wieder etwas gehört hatte. Schließlich lächelte er der Fürstin zu. »Sie haben ja recht, meine Liebe, aber auf die Dauer befriedigt ein Leben im Hotel auch nicht, und sei es noch so angenehm.«
    »Warum haben Sie nicht bereits vor langem einen Haushalt gegründet? Am Geld kann es nicht liegen …« Natalja unterbrach sich unvermittelt. Es schickte sich nicht, über Geld zu reden, das hatte sie von ihren Eltern und ihrem Mann immer wieder gehört. Der russische Adel legte viel Wert auf perfekte Umgangsformen.
    Aber die Zeiten hatten sich rasend schnell geändert. Ihr Mann war gleich zu Beginn des Krieges gefallen, hatte sie mit ihren beiden Kindern allein zurückgelassen. Nachdem sie sich verkrochen und wochenlang geweint hatte, hatte sie das verdunkelte Zimmer schließlich nur ihren Kindern zuliebe verlassen. Ganz langsam hatte sie ihr Leben wieder in den Griff bekommen, unterstützt von ihren Eltern und Verwandten.
    Der weitere Kriegsverlauf glich einer einzigen Katastrophe, die ganz Europa ins Unglück stürzte. Immer mehr Todesnachrichten kamen von der Front, Verzweiflung breitete sich aus. Die Revolution hatte schließlich das Schicksal des Zaren und vieler Adelsfamilien besiegelt. Die Familie Demidow war nicht verschont geblieben. Rote Garden hatten Nataljas Eltern erschossen, die Bediensteten verschleppt und Natalja und die Kinder mit vorgehaltener Waffe zu einer überstürzten Abreise aus Moskau gezwungen. Sie hatte all ihren Besitz zurücklassen müssen, nachdem die Revolutionäre das Vermögen ihrer Familie requiriert, die Ländereien beschlagnahmt und unter den umliegenden Bauern aufgeteilt hatten.
    Was danach kam, war ein beklemmender Alptraum. Mit Mühe und Not hatte

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