Falsch
unter einem Vorwand und gab Gas. Mit quietschenden Reifen beschleunigte er den Mazda in Richtung Abflugterminal. Der Mann an der Schranke erkannte den Wagen bereits von weitem und winkte ihn – entgegen aller Vorschriften – durch. Zwei Minuten gespart, freute sich Higurashi und tastete in der Tasche seines Jacketts nach den Unterlagen.
Alles da.
Vor dem Abflugterminal angekommen, parkte er den Mazda im Halteverbot und ließ den Schlüssel stecken. Dann lief er mit großen Schritten zur Sicherheitskontrolle.
10:47 – sein Ausweis der höchsten Sicherheitsstufe brachte ihn direkt zur Halle mit den Flugsteigen. Keine Kontrolle, kein Warten, dachte sich Higurashi, trotzdem würde es knapp werden. Er rannte zum Flugsteig Nummer 8, wo die beiden Stewardessen den Flug gerade schließen wollten. Der kleine Japaner wedelte mit seinem Ticket und lächelte entschuldigend. Dabei sah er die Aeroflot-Stewardess mit großen Augen durch seine dicken Brillengläser an.
»Mr. Yoshimura, Sie wissen, dass Sie zu spät dran sind?«, stellte die Stewardess streng fest, während sie durch den japanischen Pass blätterte und die Boarding-Card kontrollierte. »Haben Sie Gepäck?«
»Nein, habe ich nicht, und es tut mir wirklich leid«, meinte Higurashi zerknirscht.
»Dann gehen Sie jetzt schnell zur Maschine, wir starten in wenigen Minuten«, erwiderte die junge Frau in der Aeroflot-Uniform, ließ den Abschnitt durch den Scanner laufen und winkte den Japaner durch.
Während er zur Flugzeugtür eilte, zog Higurashi sein Jackett aus und rollte sich die Ärmel hoch. Auf dem linken Arm wurden die Klauen eines tätowierten Tigers sichtbar.
Aber das war Higurashi nun egal.
10:57 – der Flug Aeroflot 229 nach Amsterdam-Schiphol wurde mit nur zwei Minuten Verspätung aus der Parkposition geschoben. Als der Jet auf der Startbahn eins beschleunigte und schließlich abhob, stand gerade ein Polizist der Verkehrsstreife hinter dem geparkten roten Mazda und gab das Autokennzeichen an die Zentrale durch.
Ungeduldig wartete er, bis endlich per Funk die Antwort kam.
Die Tatsache, dass der Wagen einem der Chefs einer Werttransportfirma am Flughafen gehörte, beruhigte den Polizisten. Wollen wir mal ein Auge zudrücken, dachte er sich achselzuckend, drehte sich um und setzte seine Streife fort.
Villa Kandel,
Altaussee, Steiermark/Österreich
Wieder die Mailbox!
Frustriert verzog Soichiro Takanashi das Gesicht und legte auf. Wo zum Teufel steckte dieser Gruber? Warum funktionierte sein Handy nicht? Der Japaner wollte nicht auf die Mailbox sprechen, dazu war der Anlass zu brisant und das Angebot zu vertraulich. Seine Finger trommelten ungeduldig auf die Glasplatte des Gartentisches.
Wenigstens lief bei dem Transport aus Moskau alles plangemäß, beruhigte er sich und goss den Lapsang-Souchong-Tee in eine dünnwandige Tasse, die mit dunkelblauen chinesischen Mustern geschmückt war.
Dann schaute er auf seine Uhr.
Noch etwas mehr als zwei Stunden bis zur Landung der Aeroflot-Maschine in München, bis zum elegantesten Coup des Jahres. Die Moskauer Mafia würde toben, dachte der Japaner schadenfroh und schlürfte das aromatische Getränk, während er von der Terrasse über den See blickte.
75 Millionen auf einen Schlag! Keine Zeugen, kein Aufsehen, keine Schüsse. Eine Kassette voller Diamanten, die auftragsgemäß geliefert würde. Mit intakten Siegeln, ohne Kratzer.
Nur der Inhalt war spurlos verschwunden …
Takanashi rieb sich die Hände. Das war ein Coup, wie er ihn sich lange gewünscht hatte. DeBeers würde nicht zahlen, weil die Steine ja niemals bei ihnen angekommen waren. Die Russen würden das Werttransportunternehmen verdächtigen, doch dort war alles belegbar, nachvollziehbar, ja sogar auf Videoband aufgenommen. Es gab Dutzende Zeugen, die Gewicht, Aussehen und Größe des Edelstahlbehälters bestätigen würden. Und dann … der Japaner lächelte. Dann würden die ersten Gerüchte auftauchen. Unberührte Siegel? Hatten die beiden Auftraggeber vielleicht eine leere Schatulle auf den Weg nach München geschickt? Allein der Verdacht würde genügen, um die ersten Killer aus dem Dunkel ans Licht und auf die Fährte der Absender zu bringen. Die Russen machten kurzen Prozess und hielten sich nicht lange mit Recherchen auf, das hatten ähnliche Fälle in der Vergangenheit bewiesen.
Mit etwas Glück würde ein Krieg ausbrechen, erst ein interner Machtkampf, dann ein internationaler. Nämlich spätestens dann, wenn die Yakuza die
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