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Falsch

Falsch

Titel: Falsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
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Steine DeBeers anbieten würden …
    Ja, das ist ein Schachzug nach meinem Geschmack, dachte Takanashi, und ganz in der Tradition des alten Kampfes um die Vormachtstellung zwischen japanischer und russischer Mafia. Die Schlachten wurden erbittert geschlagen, überall auf der Welt. Den drohenden Krieg würden die Japaner über kurz oder lang für sich entscheiden, davon war Takanashi überzeugt.
    Diesen russischen Bauern fehlte alles, dachte er sich. Stil, Klasse und Tradition, Disziplin und Konsequenz. Geheimdienst hin oder her, es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis die russischen »silbernen Bären«, wie man die perfekt geschliffenen Diamanten aus der Mirny-Mine nannte, nach dem Absturz wieder auftauchen würden. Waren die typischen silver bears normalerweise nur 0,2 Karat groß, so hatten die Leiter der riesigen Mine jahrzehntelang die großen Steine gesammelt, geschliffen und beiseitegelegt. Bis zum Jahr 2001 …
    »Fünftausend Karat«, murmelte Takanashi andächtig und ließ sich die Zahl auf der Zunge zergehen. Genug, um die Russen vor Wut schäumen zu lassen und die Yakuza-Aktivitäten in Europa auf Jahre hinaus zu finanzieren.
    Er nahm einen Bissen des noch warmen Croissants und lehnte sich zurück. Was für ein Schlag ins Gesicht dieser Parvenüs, die tatsächlich glaubten, dass Gewalt alle Probleme lösen könne! Takanashi schüttelte den Kopf. Gewalt galt bei den Yakuza als letztes Mittel. Der weitaus größte Teil der alltäglichen Geschäfte jedoch, wie Kreditvergabe oder Arbeitskräftevermittlung, Prostitution, Glücksspiel oder Drogenhandel, lief absolut friedlich ab. Die Japaner hatten in den letzten Jahren national und weltweit die Strategie der Unauffälligkeit praktiziert – mit Erfolg. Bis in die frühen neunziger Jahre waren die Yakuza in Japan legal gewesen, und man hatte ihre Büros überall in den Großstädten finden können. So war es auch den Normalbürgern möglich gewesen, jederzeit mit der Organisation Kontakt aufzunehmen und ihre Unterstützung zu suchen. Die Yakuza-Bosse hatten Interviews und Pressekonferenzen gegeben, eigene Zeitungen besessen, ja man hatte traditionell zu Neujahr sogar der Polizei Glückwunschbesuche abgestattet …
    … und Freundschaftsgaben dagelassen, die sich während des restlichen Jahres bezahlt machten …
    Doch dann wurden die Yakuza verboten, mussten ihre Büros umwandeln, die Strukturen anpassen, ihr oftmals auffallendes und herausforderndes Verhalten ablegen. Ehemalige offizielle Büros wurden in Kredit- oder Arbeitskräftevermittlungen umfirmiert, man stieg auf unauffälligere Autos um, dafür wuchsen Gewaltbereitschaft und Waffengebrauch, vor allem bei den jüngeren Mitgliedern. Die Yakuza waren zur Jahrtausendwende im Wandel gewesen, in einer Umstrukturierungsphase, die nun abgeschlossen war.
    Takanashi nickte zufrieden.
    Es war über weite Teile sein Verdienst gewesen, dass nun die internationalen Aktivitäten in Europa so reibungslos liefen. Jetzt galt es noch, den Russen den Rang abzulaufen und sich als ernstzunehmende Konkurrenz in der Europäischen Union zu etablieren. In der Welt der Unternehmer hatte die organisierte Kriminalität der Japaner schon lange ein gewichtiges Wort mitzureden. Man war akzeptiert, integriert und beteiligte sich an vielversprechenden Unternehmungen rund um den Globus ganz legal. Und man fürchtete nur eine Nation – die Chinesen …
    Aber die Russen? Einerseits hatte Takanashi dafür geworben, dass die Yakuza ganz offen in den russischen Energiesektor investierten, andererseits saß das Misstrauen angesichts der anarchisch und oft unkoordiniert agierenden Gruppen aus der ehemaligen Sowjetunion tief. Eben war ein Oligarch bei den Regierenden im Kreml noch ein und aus gegangen, am nächsten Tag saß er hinter Gittern und musste zusehen, wie sein Firmenimperium konfisziert und aufgeteilt wurde.
    Kein Gedanke, der die japanischen Anleger beruhigte.
    Doch das Verschwinden von Diamanten für 75 Millionen Euro würde den russischen Gruppen einen empfindlichen Schlag versetzen und DeBeers vor ein Rätsel stellen. Natürlich nur so lange, bis Takanashi ihnen die Ware anbieten und das Geschäft anstelle der Russen machen würde.
    Der Japaner leerte seine Tasse Tee und erhob sich. Es war an der Zeit, aufzubrechen. Die Fahrt nach München würde knapp drei Stunden dauern. Zeit genug für Christopher Weber, die Kassette aus dem Flughafen heraus und zum vereinbarten Treffpunkt zu bringen. Takanashi wollte die Übergabe

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