Falsch
aller Wunsch umzusetzen. Vertraut ihr mir?«
Franz nickte und klopfte seinem Freund auf die Schulter. »Mehr als mir selbst«, antwortete er stellvertretend für alle.
»Dann lasst uns keine Minute verlieren.« Paul drehte sich um, betrat die Bank und kam wenige Augenblicke später begleitet von vier Männern in Anzügen wieder heraus. Er wies stumm auf die Ladefläche, wo Ernst und Franz die Kisten unter der Plane ans Heck des Magirus schoben und den Bankangestellten hinabreichten.
Eine halbe Stunde später saßen die vier Freunde im riesigen Büro des Bankdirektors Alfons Crämer senior im ersten Stock. Der schwergewichtige Mann, der einen stattlichen Bauch vor sich herschob und die Welt durch eine randlose Brille betrachtete, die bedrohlich nahe ans Ende seiner Nasenspitze gerutscht war, schien die gesamte Breitseite seines Schreibtisches einzunehmen. Seinen kleinen, wieselflinken Augen entging nichts. Jetzt sprangen sie erwartungsvoll von einem seiner Besucher zum nächsten.
Vier junge Männer und ein Vermögen.
Crämer witterte ein Geschäft.
Dieser Krieg hatte den Schweizer Banken bereits unvorstellbar viel Geld in die Kassen gespült, zum einen aus den diversen Kunstverkäufen, den Verlagerungen von Kapital der SS , der nationalsozialistischen Wirtschaftsabsicherung, die dazu führte, dass viele der deutschen Industriellenfamilien ihr Kapital auf Schweizer Konten deponierten. Dazu kamen die diversen jüdischen Vermögen, die Erlöse der Geldverschiebungen der Emigranten, Schwarzgeld und Tausende geheime Transfers, die von allen Kriegsparteien in den »sicheren Hafen Schweiz« getätigt wurden.
»Woran genau hatten Sie gedacht?«, erkundigte sich Crämer vorsichtig und lächelte seine vier potentiellen Kunden an.
»Hundert Nummernkonten, einhundert Kennwörter, Auszahlung an denjenigen, der beides in Händen hält und außerdem ein direkter Nachfahre von einem von uns sein muss.« Paul legte ein Blatt Papier auf den Schreibtisch des Bankdirektors und strich es glatt. »Wenn Ihre Leute mit dem Zählen fertig sind, dann brauchen wir nur mehr über die Konditionen zu verhandeln.«
Crämer befeuchtete seine Lippen. »Nun, bei dieser Summe werden Sie verstehen …«
»… dass es ganz besonders gute Konditionen sind«, vollendete Paul den Satz und legte die beiden Befehle Himmlers und Kesselrings neben die Kennwortliste. »Wenn Sie so freundlich wären, einen Blick darauf zu werfen, dann werden Sie sehen, dass hier kein Wort von einem Bankhaus Crämer steht. Es heißt ›ein Bankhaus in Zürich‹. Soviel ich weiß, gibt es hier Dutzende Banken. Auch größere und wichtigere, ältere und bedeutendere …«
»Sicher, sicher«, beeilte sich Crämer zuzustimmen. »Aber unsere Reputation ist makellos, das können Sie gern nachprüfen. Seit mehr als hundert Jahren …«
Paul winkte ab und unterbrach den Bankdirektor ziemlich unwirsch. »Geschenkt. Wie viel?«
Crämer wand sich und schob Papiere auf seinem Schreibtisch hin und her, als suche er nach einer Eingebung, die sich darunter versteckt hatte. »Nun, ich hatte an fünf Prozent gedacht.«
Paul erhob sich und sah seine Freunde an. »Ich glaube, wir sind hier fehl am Platz. Kommt, gehen wir …«
Crämer hob abwehrend die Hände. Auf seiner spiegelnden Glatze glänzten Schweißtropfen. »Aber so warten Sie doch, meine Herren, wir werden uns sicher einigen können!«
»Dann sollten Sie mit einem akzeptablen Angebot kommen und nicht mit einer persönlichen Beleidigung«, gab Paul ungerührt zurück.
In Crämers Gehirn ratterte wie wild eine Rechenmaschine. Er begann, das Für und Wider abzuwägen, seine Risiken und seine Chancen, das Geld nie wieder zurückzahlen zu müssen. Wer weiß, was den vier jungen Männern in den nächsten Monaten und Jahren widerfuhr? Waren es SS -Angehörige auf der Flucht? Würden sie in den Nachkriegwirren unter die Räder kommen, vielleicht gar unter die Räder der Siegerjustiz?
Schließlich gab er sich einen Ruck. »An welchen Zinssatz haben Sie denn gedacht?«, erkundigte er sich vorsichtig.
»Ich will nicht mit Ihnen handeln, wir sind hier nicht auf einem orientalischen Bazar«, stellte Paul kategorisch fest. »Geben Sie uns einen Zinssatz von 8,5 Prozent, und Sie haben unser Geld.«
Crämer zog ein großes kariertes Taschentuch hervor und wischte sich den Schweiß von der Glatze. Er überlegte erneut, sah die vier jungen Männer an und wiegte den Kopf.
Am Ende siegte die Gier.
»Abgemacht!«, lächelte er.
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