Falsch
gebührende Ende eines Abenteuers, das vor mehr als fünfundsechzig Jahren seinen Anfang genommen hat. Von Österreichs Alpen in das Geburtshaus der österreichischen Kaiserin. Sie müssen zugeben, sehr stilvoll.«
Finch war wie vor den Kopf gestoßen. Die Liste war verbrannt, ein für alle Mal, und die Schweizer hatten gewonnen. Es war doch nicht das Richtige gewesen, auf den Major zu hören und Zwingli auf die letzte Etappe mitzunehmen.
Jetzt war alles verloren.
Sie standen mit leeren Händen da.
Das Geheimnis der alten Männer würde für immer eines bleiben.
Zwingli betrachtete Finch und Llewellyn nachdenklich, dann gab er seinen Männern ein Zeichen. »Wir verabschieden uns hier und jetzt, es wird Zeit, nach Lausanne zurückzukehren. Ach ja, die Hausschlüssel bitte! Und versuchen Sie keine sinnlosen heldenhaften Aktionen.«
Finch griff in die Tasche und warf Zwingli den Schlüsselbund zu.
»Ich könnte jetzt nachtragend sein, Major Llewellyn, aber wozu? Sie haben uns ja andererseits brav zu dem Versteck der Liste geführt, wie ich es mir gedacht hatte. Also will ich nicht so sein …« Zwingli grinste. »Ich hätte auf jeden Fall gewonnen, so oder so, und das wissen Sie. Richten Sie Ihrer Regierung aus, sie soll das nächste Mal die erste Garnitur schicken und kein Altersheim. Das war jetzt wirklich keine Herausforderung. Und noch ein guter Rat von mir: Gehen Sie in Pension, Llewellyn.«
Der Major wollte losstürmen, aber Finch hielt ihn zurück. Er spürte, wie der Waliser vor Wut zitterte.
Zwingli wies auf den bewusstlosen Georg Gruber, der auf dem Boden lag. »Vergessen Sie ihn nicht, wenn Sie gehen, vielleicht benötigt er einen Arzt.« Er betrachtete den Schlüsselbund und überlegte. »Eigentlich brauche ich Sie gar nicht zu fesseln, einschließen reicht. In fünf Minuten sind wir gestartet und auf dem Heimweg.« Dann schaute er auf seine Armbanduhr. »Ihr Pilot wird bald zurückkehren, da bin ich ganz sicher. Guten Flug, meine Herren!«
Damit gab er seinen Männern ein Zeichen und verschwand durch die Tür in den Empfangssalon. Am Klimpern der Schlüssel hörte Finch, dass der Schweizer einige ausprobierte, bis er den passenden fand, der die schwere doppelflügelige Tür zusperrte.
Mit dem Sturmgewehr im Anschlag zog sich wenige Augenblicke später auch der letzte Bewaffnete zurück. Die Tür wurde zugeschlagen, und der Schlüssel drehte sich zweimal im Schloss. Die Schritte der vier Männer verhallten.
Dann wurde es still in der Villa Borbone.
»Ich breche ihm eigenhändig jeden Knochen im Leib«, knurrte Llewellyn zornig, während er sich zu Gruber hinunterbeugte und seinen Puls fühlte. »Wir waren so knapp vorm Ziel …«
Georg stöhnte und begann sich zu regen.
»Ja, leider nur knapp davor«, stimmte ihm Finch niedergeschlagen zu. »Das war kein rühmlicher Auftritt …«
Das Läuten seines Mobiltelefons unterbrach ihn. »Auch das noch …«, murmelte er nach einem Blick auf das Display, bevor er das Gespräch annahm. »Hallo Fiona …!«
11
DAS WISSEN
12. April 1945,
Bankhaus Julius Crämer, Zürich/Schweiz
Das repräsentative Haus in der Züricher Bahnhofsstraße erzählte eine Geschichte von Aufstieg, Erfolg und Zuverlässigkeit. Die makellose Fassade, klar strukturiert mit der Belle-Étage der Direktion im ersten Stock und den anderen Büroräumen darüber, machte das Gebäude des ehrwürdigen Bankhauses Julius Crämer zu einem wahren Baujuwel der Gründerzeit.
Franz hielt den Magirus vor dem eleganten Haupteingang an, von dem spärlich bekleidete Karyatiden auf ihn herunterblickten.
»Das Ende einer langen Reise, der Beginn eines noch längeren Abenteuers«, nickte Willi und stieg aus. Ernst und Paul sahen mit gemischten Gefühlen an der Fassade hoch und fühlten sich mit einem Mal an die Wiener Ringstraße erinnert, die sie vor drei Jahren auf Einladung von Willis Eltern besucht hatten. Das war auch das letzte Mal gewesen, dass der Junge aus Wien Vater und Mutter lebend gesehen hatte.
»Nur damit wir uns richtig verstehen«, meinte Paul leise, als sich alle am Gehsteig um ihn gruppiert hatten. »Wir machen es wie heute Morgen besprochen. Ich verhandle die Konditionen, wähle die Kennwörter. Die Liste habe ich bereits heute Nacht ausgearbeitet. Sobald das Geschäft erledigt ist, trennen wir uns. Jeder nimmt sein Geld und geht seiner Wege. Ich habe lange nachgedacht, während ihr geschlafen habt, und ich glaube, ich habe einen absolut sicheren Weg gefunden, um unser
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