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Falsch

Falsch

Titel: Falsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
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Stock in die Waagrechte. Aus der entstandenen Öffnung kullerten große, farblose Steine, die im Tageslicht atemberaubend funkelten und glitzerten.
    »Das sind Diamanten, die besten und schönsten, deren ich in meiner Karriere habhaft werden konnte. Der Stock ist auf seiner gesamten Länge ausgehöhlt und damit gefüllt. Ein Vermögen, würdig eines Kaisers oder eines Zars.«
    Einer seiner jungen Begleiter pfiff durch die Zähne. Es war, als sei ein Bann gebrochen worden, denn plötzlich redeten alle aufgeregt durcheinander. Kronstein suchte unbeeindruckt einige Steine aus, ließ die anderen wieder in den Stock zurückgleiten und schraubte den Griff fest. Dann hob er die Hand, und alle Gespräche verstummten mit einem Schlag.
    »Mein Vorschlag ist folgender«, sprach der alte Mann mit fester Stimme. »Ich habe hier einen Diamanten für jeden von Ihnen, wenn Sie mich bis an mein Ziel begleiten. Igor, mein alter Freund und Chauffeur, möchte hier bleiben, in St. Petersburg bei seiner Familie. Einerseits kann ich ihn verstehen, andererseits nicht, aber ich respektiere auf jeden Fall seine Entscheidung. Ich könnte vier junge, starke Männer als Reisebegleitung gebrauchen. Männer, die mir ergeben sind und zu mir halten, die mir beistehen und mich sicher an mein Ziel bringen. Es soll Ihr Schaden nicht sein, glauben Sie mir. Der Diamant ist der Lohn für Ihre Mühe, unser Ziel ist ein Land in Europa, in dem Sie keinen Gefahren ausgesetzt sind. Dafür verbürge ich mich. Es steht Ihnen allerdings frei, am Ende der Reise wieder nach Russland zurückzukehren, bei mir zu bleiben oder ein eigenes Leben zu beginnen, wo immer Sie wollen, fern von Revolution und Krieg.«
    »Gibt es eine Alternative, Exzellenz?« Einer der jungen Männer, dessen Nickelbrille ihn wie einen zu jungen Philosophen aussehen ließ, sah Kronstein fragend an.
    »Die gibt es gibt immer«, gab der zurück, nickte kurz seinem Chauffeur zu und lächelte weise. »Den Tod.« Er schaute in die Runde. »Sie werden verstehen, dass ich niemanden zurücklassen kann, der nur eine einzige Andeutung darüber machen könnte, wie ich dieses Land verlassen habe. Ich will auch keinesfalls das Risiko eingehen, meinen alten Freund Igor mit der Unsicherheit hierzulassen, dass eines Tages jemand zu ihm kommen könnte, um ihm meinen Aufenthaltsort mit Gewalt zu entlocken. Ich werde alle meine Spuren, so gut es geht, verwischen, um jeden Preis.«
    Kronstein streckte die flache Hand aus, auf der die vier Diamanten glitzerten. Dann wies er auf die Steyr-Pistole, die noch immer auf die Schläfe eines der bewaffneten Männer zielte. »So sieht Ihre Wahl aus.« Er machte eine effektvolle Pause. »Und bitte glauben Sie mir, dass in Zeiten wie diesen keine Skrupel erlaubt sind. Die wären ein noch größerer Luxus als die Steine in meinem Stock.«
    Kronstein reichte die vier großen Diamanten einem der Männer, lehnte sich zurück und zog seine silberne Taschenuhr aus der Jacke. Er ließ den Deckel aufspringen. »Ich gebe Ihnen drei Minuten, die über Ihr Leben entscheiden werden. Jetzt und hier. Die Zeit drängt ein wenig, da werden Sie mir zustimmen.«
    Die Männer saßen stumm da, jeder in Gedanken versunken. Kronstein hatte eine lautstarke, erbittert geführte Diskussion erwartet, aber nichts dergleichen geschah.
    Der junge Mann mit der Nickelbrille drehte fasziniert die Steine zwischen seinen Fingerspitzen.
    Der Lauf der Steyr zitterte keinen Millimeter.
    Die Zeit schien stillzustehen.
    Da wurde plötzlich die Wagentür aufgerissen, ein Uniformierter steckte seinen Kopf herein und brüllte: »Was geht hier vor?« Im Hintergrund drängten sich zwei weitere Soldaten mit Gewehren an der Hüfte, ihre Uniformen mit Blut bespritzt.
    »Nichts, was Sie interessieren könnte«, antwortete Kronstein kurz angebunden und steckte die Uhr wieder ein. Die Hand mit der Steyr ruckte kurz herum, und zwei Schüsse trafen den Soldaten in den Kopf. Er fiel zurück auf die Straße, brach zusammen ohne einen Laut. Als seine beiden Begleiter die Schrecksekunde überwunden hatten, völlig überrumpelt ihre Gewehre in Anschlag bringen und das Feuer eröffnen wollten, fielen bereits die ersten Schüsse aus dem Wagen, abgegeben von den jungen Männern, die aus der Hüfte geschossen hatten.
    Alles war blitzschnell gegangen und die Stille danach umso beklemmender.
    »Exzellenz, ich glaube, die Entscheidung ist gerade gefallen«, kommentierte der junge Mann mit der Nickelbrille trocken. An seine Kollegen

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