Falsch
hübsche Stewardess und genügend Ersatzteile für die nächsten fünf Jahre?«
John Finch schob sein Glas dem Barkeeper zu und rutschte vom Hocker. »Ich habe in meinem Leben viel Geld verdient, sehr viel Geld. Ich bin über dem aufregendsten Kontinent dieser Erde die unmöglichsten Einsätze geflogen, Roberto, immer am Limit und mit Taschen voller Glück.« Der Pilot grinste wie ein Schuljunge, der einen besonders perfiden Streich ausgeheckt hatte. »Die Abenteuer kamen zu mir, jeden Tag stand ein neues vor der Tür. Gefahr war das Salz in der Suppe. Und weißt du was?« Er sah Roberto an. »Ich habe es überlebt, entgegen aller Wahrscheinlichkeit. Ich wusste immer, wann es genug war, und bin rechtzeitig gegangen, bevor die letzten Trümpfe auf dem Tisch lagen. Man spielt nicht lange ungestraft mit dem Teufel.«
Finch trommelte mit den Fingern auf den schwarzen Marmor. »Aber jetzt habe ich zum ersten Mal das Gefühl, dass mein Schutzengel nicht mehr auf den Kopilotensitz will.«
»So viel Geld?«, fragte der Barkeeper und schaute ihn lauernd an.
»Noch mehr«, gab der alte Pilot einsilbig zurück, »unanständig viel.«
»Wer?«, setzte Roberto nach und hörte für einen Moment auf, die Gläser zu polieren.
Finch schüttelte nur stumm den Kopf, steckte sein Zigarrenetui ein und legte einen Zehn-Reais-Schein auf die Theke. »Wundere dich nicht, wenn du mich in den nächsten Wochen nicht zu Gesicht bekommst«, murmelte der Pilot. »Dann bin ich verreist. So oder so.«
Roberto runzelte die Stirn und sah ihn fragend an.
»Entweder ich nehme den Auftrag an, dann kannst du meine Flasche vermutlich jemandem anderen schenken. Oder ich lehne ihn ab, dann werde ich wohl für einige Zeit verschwinden müssen. Mein Auftraggeber sieht nicht so aus, als akzeptiere er ein Nein als Antwort.« Finch zuckte mit den Schultern und dachte kurz nach. »Vielleicht besser so – und du hast recht. Es wird Zeit, die Bar zu wechseln …«
»Pass auf dich auf, alter Mann«, lächelte Roberto, »und schreib eine Ansichtskarte. Ich hab noch einen Magneten auf meinem Kühlschrank frei.«
»Schau ab und zu nach meinem Boot, bevor es ganz absäuft«, gab Finch zurück, als die Tür aufflog und drei laut grölende Männer hereintorkelten, halbleere Flaschen mit Schnaps in ihren Händen schwingend.
Der Barkeeper verdrehte die Augen. »Die haben mir heute noch gefehlt«, stieß er hervor. »Matrosen vom Schiff aus Manaus, jede Woche dasselbe Schauspiel. Die besuchen die horizontale Truppe in den Garderoben.«
»Wie verzweifelt muss man sein …?«, fragte Finch niemanden im Besonderen und wandte sich zum Gehen. »Halt mir einen Platz frei, so in ein, zwei Jahren, wenn es das Baby dann noch gibt.«
»Vergiss nicht zu schreiben«, lächelte Roberto. »Wo immer es dich auch hinverschlägt.«
Als John Finch in die tropische Nacht hinaustrat und die Türen des Babylon leise quietschend hinter ihm zuschwangen, roch er den Rio Negro und ein Parfum, das er kannte.
»Keine passende Nachtzeit für Scarletts Enkelin«, sagte er leise, ohne sich umzudrehen. »Und nicht der richtige Platz.«
»Was ist schon richtig, Senhor Finch?«, lachte es kehlig aus dem Dunkel. »Aber wollen wir hier draußen philosophieren, oder laden Sie mich auf einen Drink ein?«
»Ich bin für Ersteres«, gab er trocken zurück. »Was machen Sie hier? Alte Männer beim Trinken beobachten? Dann hoffe ich, Sie haben genau hingesehen. Weil ich für einige Zeit verreist sein werde und dieses Etablissement ohne mich auskommen muss.«
Sie war neben ihn getreten und schaute in Richtung des Flusses, als sie antwortete. »Wir haben uns nicht mehr gesehen, nachdem die Leibwächter meines Großvaters es übernommen haben, Sie zurück nach São Gabriel zu bringen.« Er konnte ihrer Stimme nicht entnehmen, ob sie das bedauerte oder einfach nur Konversation machen wollte.
»Also keine Antwort auf meine Frage«, erwiderte Finch lakonisch und war drauf und dran, sich auf den Weg nach Hause zu machen, als ihre Hand ihn am Unterarm zurückhielt.
»Ich wollte wissen, wie Sie sich entschieden haben«, meinte sie leichthin.
»Neugier steht Ihnen nicht, Fiona«, stellte er fest und wandte sich zu ihr um. »Außerdem kann es Ihnen völlig egal sein, wie ich mich entscheide, oder täusche ich mich? Ein alter Pilot mit seinem Wasserflugzeug, das man ebenfalls bereits in die Kategorie ›erhaltenswertes Fluggut‹ einreihen kann … Lassen Sie mich in Ruhe die Nacht zu Ende bringen und
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