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Falsche Brüder

Falsche Brüder

Titel: Falsche Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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Zivilisation,
die
interstellare Entfernungen meistert, muss notwendigerweise eine
humane sein, eine, die von edlen Zielen, von grenzenloser
Toleranz, vor allem aber von der Achtung alles Lebendigen
geleitet ist, fern allen Zanks und Haders…
So jedenfalls, erinnerte ich mich mit Sarkasmus, habe ich es
gelehrt bekommen. Es galt, umzudenken. Erzwungene Einigkeit,
ausgerichtet auf ein Ziel, mag auch einen
konzentrierten
Wissensfortschritt stimulieren. Und dieses Ziel ist bei denen
Vernichtung, Unterwerfung anderer
– des eigenen Vorteils
wegen. Lebensverachtung und maßlose Arroganz könnten schon,
so glaubte ich nun, in einer Gesellschaft der Boden sein, auf
dem ein kosmischer Faschismus gedeiht.
Und das hier – ein Ergebnis?
In einem Anflug von Hass, in dem meine ausgestandenen
Ängste, die Bilder von den Toten ebenso präsent waren wie die
Unverschämtheit des Überfalls und das, was man von dem
Wüten der Fremden hörte, versetzte ich dem Körper einen
wuchtigen Fußtritt.
„Der spürt nichts mehr“, sagte Hugh sanft. „Und wer weiß, ob
er etwas dafür kann.“
„Er ist dabei…“
„War, Igor, war…“ Nun beugte sich Hugh über das Gebilde.
„Das ist noch nicht er“, stellte er dann fest. „Er steckt in einer
Hülse, einem Schutzüberzug.“
„Müssten wir nicht…?“ Ich fragte zögernd: „Vielleicht lebt er
noch.“
Hugh schüttelte den Kopf. „Nicht die kleinsten
Voraussetzungen haben wir, kennen nicht einmal die
Atmosphäre, die sie brauchen. Plier haben wir sie ja gründlich
kaputtgemacht.“ Er wies unbestimmt auf den Diskus. „In seinem
Anzug ist er am sichersten. Andere müssen entscheiden, wie es
weitergehen soll. Wichtig ist es schon, von ihnen zu wissen. Und
viele werden wir noch nicht erbeutet haben.“
Man hörte schleifende Schritte im Gras. Die Gruppe der
Offiziere bog um das Flugzeug, stockte. „Seid ihr des Teufels!“,
schnauzte Jens.
Einige traten vor, nahmen das Vorgefundene in genaueren
Augenschein, schnüffelten die stechende Luft.
Hugh und ich nahmen Haltung an, äußerten uns zunächst
nicht.
Auch Jens besah sich jetzt das sorgfältiger, was es zu sehen
gab. Aber man merkte ihm an, dass Ärger in ihm steckte,
vielleicht darüber, dass ausgerechnet seine Leute so offensichtlich
Eigenmächtigkeit, wenn nicht Schlimmeres, vor den anderen
demonstrierten.
Dem Ärger Luft zu machen, dazu kam er nicht.
Von Wald, jenseits der Flugmaschine erklang Geschrei,
mehrere Schüsse fielen – das Signal für die Offiziere, sich im
Laufschritt zu entfernen, hin zu ihren Einheiten.
Ich schickte mich an, ihnen zu folgen.
„Bleib!“, rief Hugh. „Die kommen zurück – mit allen anderen.“
Dennoch ging er auf ein Gebüsch zu, das der Diskus beim
Niedergang beträchtlich gezaust hatte, und riss zwei kräftige
Äste vollends ab, brachte sie, ohne Zweige und Blätter entfernt
zu haben, angezerrt.
Ich begriff.
Mit Leibriemen, einem Stück Strick banden wir den verhüllten
Fremdling auf die Äste.
Die Truppe passierte die Absturzstelle, als wir gerade fertig
waren. Wir schlossen uns an, ich vorn, Hugh hinten an der
Trage. Wir warfen noch einen bedauernden Blick auf den
Diskus – er barg gewiss Interessantes –, dann fielen wir in den
allgemeinen Marschtrott.
Diesmal, entgegen der vordem gegebenen Order, ging es
weiter zurück, etliche Kilometer, sodass der Transport
des
eigentlich leichten Körpers beschwerlich wurde.
Niemand von den zurückströmenden Kämpfern kümmerte sich
um Hugh und mich…
Die gesamte „Armee“ bewegte sich nahe der Asphaltstraße, die
von Utsjoki nach Inari führte, durch endlos
scheinenden
lappländischen Mischwald, dessen Boden, von riesigen Steinen
übersät und mit knöcheltiefem Moos bedeckt, ein rasches
Vorankommen kaum zuließ. Aus der Luft ein
Überraschungsangriff, und die Folgen wären verheerend
gewesen. Auch der typische Wald – weit auseinander stehende
Kerzenfichten, Kiefern und Birken von
Daumen- bis
Oberschenkelstärke – hätte uns, so dicht gedrängt, wie wir
marschierten, kaum ausreichenden Schutz geboten.
Der Grund des ausgedehnten Rückzugs wurde alsbald
ersichtlich: Man hatte eine gestaffelte Auffangstellung – hätte
man früher gesagt – nahe der Straße vier, die hier im rechten
Winkel nach Westen abbog, bezogen, und zwar – ich staunte –
mit schwer bewaffneten Einheiten. Es war jedenfalls das
Imponierendste, was ich je an Kriegstechnik auf einmal gesehen
hatte. Nur, der zweite Blick machte es deutlich, was

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