Falsche Brüder
Schlosser mit einem mobilen Schweißgerät. Im Nu hatten
wir eine Menschenansammlung um uns. Wir waren auf den
Sockel geklettert, besahen uns das Ding von außen. Der Panzer
war ausgezeichnet erhalten – so wie dieser hier“, ich klopfte
erneut mit dem Löffel an das Rad, „und Josef, so hieß der
Denkmalschützer, erklärte mit Stolz, dass man einmal im Jahr
mit einem neuen Farbanstrich aufwartete. Als jemand von den
Zuschauern fragte, was wir machten, gab Josef Auskunft, ohne
ein Hehl aus seiner Meinung zu machen.
Wir fingen an, den Deckel aufzuschweißen, da gab es die
ersten Proteste. Ich muss zugeben, wohl war mir nicht dabei.
Und wäre die Gedenktafel nicht unten an der Sockelmauer
gewesen, sondern am Fahrzeug selbst, ich wäre abgezogen. Da
stand das Ding seit so vielen Jahren, zeugte von Opfern,
furchtbarem Krieg… All das war nicht vergessen, nicht nur
seiner Präsenz wegen freilich. Aber der Panzer machte so
manchen Spaziergänger nachdenklich, der daraufhin die Tafel las.
Schließlich war es diese Tafel, die die Protestierenden zur
Ruhe brachte. Ich hatte den Einfall, sie zu fragen, ob sich
Ähnliches, noch Schlimmeres vielleicht, wiederholen solle? Ob
er, Josef, oder die anderen dies wollten? Was, wenn nicht diesen
alten Panzer, sollten wir nach ihrer Meinung dem Eindringling,
der schrecklicher hause als die Faschisten, entgegenstellen? Aus
den Nachrichten wussten sie alles. Aber, mein Gott, wie weit
entfernt war für sie Lappland. Da lag ein Meer dazwischen…
Aber sie protestierten nicht mehr, zerstreuten sich sogar bis auf
ein paar Kinder. Allerdings sagten sie auch unumwunden, was
sie von unserer Aktion hielten. Wenn die wirklich so gefährlich
seien, was soll da ein alter, seinerzeit schon physisch und
moralisch verschlissener T34… Allerdings, gut soll er gewesen
sein damals… Wir widersprachen nicht.
Nach zwei Tagen härtester Arbeit brachten wir die Maschine
zum Laufen. In dieser Zeit ölten wir und putzten, im Großen
und Ganzen hatten die Armisten auch die Innereien gut
konserviert. Sie hatten kiloweise Fett verschmiert, das hatte sich
in eine zwar schützende, aber außerordentlich zähe Maße
verwandelt, die wir Schicht für Schicht mühsam abkratzten und
abschrubbten, auflösten… Dann machten wir unzählige
elektrische Kontakte blank, studierten in alten Fachbüchern,
besorgten eine einigermaßen passende Batterie und Dieselöl. Als
der Motor anlief, eine mächtige blaue Wolke ausstoßend, hatten
wir wieder unsere Zuschauer, aber ein Problem: Um keinen
Preis der Welt hätte mein Kumpel, der von Motoren etwas
verstand, sogar von diesen stinkigen Verbrennungsmotoren des
zwanzigsten Jahrhunderts, den Panzer gefahren. Wir meldeten
also unserem Feldwebel, dass der Kampfwagen requiriert sei
und abfahrbereit. Von seinem Verbleib habe ich nie etwas
erfahren. Doch es könnte dieser sein, und so wird’s gemacht,
oder was denkt ihr?“
Nun lachte keiner mehr.
„Da drüben steht noch so einer.“ Jemand aus der Runde wies
mit lang ausgestrecktem Arm nach rechts.
„Und du meinst – sie nützen?“, fragte ein anderer.
Ich war in diesen Minuten offenbar zum Panzerexperten
avanciert. „Auf jeden Fall gegen die Stromblitze…“
„Mensch!“ Ein schmächtiger Kämpfer war aufgesprungen. Er
trug eine Brille und hätte den Prototyp eines Überstudiosus
abgegeben. „Wir müssen es Jens sagen. Jedermann benötigt
einen Käfig, einen leichten, der genügt schon. Da können die
blitzen, soviel sie wollen. Du warst es doch, der den Diskus
abgeschossen hat, ich habe es gesehen. Dabei hat dich so ein
Dings, eine Schrottmaschine, wie sie zum Heuwenden… Ist ja
auch egal! Das funktioniert todsicher!“
„Todsicher…“, spottete einer.
Keiner lachte.
Es dauerte mehrere Stunden, bis Hugh und Bill – so hieß
der Bursche, der den Vorschlag gemacht hatte und tatsächlich in
Oxford und wahrhaftig Physik studierte – jemanden fanden, der
sich das anhörte und versprach, sich darum zu kümmern. Ob er
es wirklich tun würde, blieb ungewiss. Auch der mitgeschleppte
Diskusflieger fand zunächst nur mäßiges Interesse. Man richtete
sich ein, erwartete mit Spannung den Angriff, mehr aber noch
die Bewährungsprobe. Wird so dem Gegner beizukommen
sein? Hugh und ich hörten die Frage oft. Bringen wir ihn zum
Stehen, zwingen ihn zur Flucht? Oh, dafür hätte sich der
Aufwand gelohnt… Niemand wusste Definitives zu sagen,
niemandem war bekannt, über welche Mittel und Potenzen die
Anderen
Weitere Kostenlose Bücher