Falsche Brüder
für eine!
Ich erinnerte mich, gelegentlich in Museen, Lexika oder anderen
Büchern, auch in historischen Filmen, Ähnliches gesehen zu
haben, aber freilich immer hübsch nach Epochen geordnet. Aber
hier? Vom ersten und zweiten Weltkrieg, Übriggebliebenes von
den Kämpfen am Golf oder Material, das in der so genannten
Befriedung des Kosovo nicht verpulvert worden war, stand
alles an einer Front, was man unter den Begriff Kanone
zusammenfassen konnte. Und in der Tat, das waren sie, die
Waffen aus den Requisitenkammern, aus Museen. Und
wahrhaftig, es befanden sich Vorderlader darunter und – weiter
im Hinterland – Raketen!
Zwischen den Geschützstellungen hatten allerlei Fahrzeuge
gedeckte Plätze eingenommen, Panzer und provisorisch
gepanzerte Vehikel, vom Lastkraftwagen bis zur Planierraupe,
vom Mähdrescher bis zum Mobilbagger
– bestückt mit
Maschinenwaffen aller Art. Und so weit man das übersehen
konnte, spannte sich diese Front, Schneisen und Lichtungen
folgend, über mehrere Kilometer. Da, wo die Kämpfer auf sie
trafen – nahe der kleinen Ortschaft Kaamanen –, schien sie
eingebuchtet, hier befanden sich offenbar auch die schwersten
Fahrzeuge. Ging man davon aus, dass die Angreifer ihren Weg
beibehielten, musste hier der Hauptstoß erfolgen. Wollte man
sie einschließen? Es schien, als sähe die Taktik es vor, dass die
Flanken nach Norden herumgezogen werden sollten.
Dieser Anblick erfüllte mich und die Kameraden mit Freude,
mit Bedenken aber auch. Konnte man tatsächlich annehmen,
einem wohlorganisierten, von Siegeswillen gesteuerten Angriff
mit einem derart zusammengestoppelten Arsenal wirksam
begegnen zu können? Welch ein Aufwand an Organisation,
Qualifikation und Produktion im Zeitalter
angewandter
Standardisierung! An jedem Geschütz, jedem Gerät benötigen die
Leute eine Spezialausbildung, für jede Kanone andere
Munition…
Eine Feldküche empfing uns. Hugh warf seine Jacke über das
Bündel auf der Trage, es hätte sonst einen Auflauf gegeben. Wir
lehnten uns mit dem Rücken an die Kette eines Panzers, eines
T34, ja, ich wusste das ganz genau, eines T34, und löffelten
Erbsen.
Während des Essens klopfte ich mit dem Löffel an das Triebrad
und sagte: „Ein Te-Vierunddreißig aus dem zweiten Weltkrieg.“
Von den vier oder fünf Kameraden, die mich hörten, blickten
einige ungläubig, schmunzelnd, als wollten sie sagen, verulke
andere. Selbst Hugh runzelte die Stirn. Woher wollte
ausgerechnet so ein Neuling das wissen? Zweiter Weltkrieg, das
wusste man, den Panzer dort einordnen ging auch, obwohl es
danach noch etliche Typen gegeben haben soll… Aber T34?
Ich nahm es den Männern nicht übel. „Es könnte der sein, den
ich besorgt habe“, bemerkte ich.
„Du hast einen Panzer besorgt!“ Es war keine Frage, sondern
eine spöttische Feststellung aus der Runde.
„Und wie besorgt man heute Panzer?“, fragte einer.
Einige lachten.
„Die sind alle irgendwie – besorgt“, erläuterte ich. „Meinen
habe ich von einem Denkmal geholt. Ich dachte, der Beauftragte
vom Denkmalschutz frisst mich. Das war eine Woche, nachdem
die Fremden eingefallen waren. Die Menschen begannen sich zu
besinnen, dass man gegen diese miesen Eindringlinge etwas tun
muss. Ein Feldwebel schickte einen Kumpel und mich nach dem
Panzer.“
„Schickte sie nach den Panzer…“, äffte einer. „Hat er dir
nicht nachgerufen, der Feldwebel, dass du bei der Gelegenheit für
einen Zehner Hefe mitbringen könntest?“
Großes Gelächter.
Ich ließ mich nicht beirren. „Es dauerte zwei Stunden, bevor
wir wussten, wer für diesen Panzer zuständig war. Er stand auf
einem Sockel, einem schrägen, zu Ehren der Roten Armee, der
Sieger… Kurzum, wir hielten dem Denkmalpfleger unseren
Befehl unter die Nase. Zunächst glaubten wir, er bekäme
einen Lachkrampf, so kicherte er los, bis mein Kumpel ihn an
der Krawatte packte, da merkte er, dass es uns ernst war. Er
begann zu zetern, uns zu beschimpfen als Denkmalschänder,
Chauvinisten, Kulturbanausen. Wir benötigten eine weitere halbe
Stunde, bis wir ihn einigermaßen sachlich hatten.
Meine Frage ,Fährt er noch?’ brachte ihn noch einmal aus der
Fassung. Schließlich gab er zu, das nicht zu wissen. Der Deckel
sei zugeschweißt, das hätten damals noch die Rotarmisten
gemacht. Wie der Panzer auf den Sockel gekommen sei? Man
habe damals doch wohl schwerlich einen Kran bekommen in
diesen Zeiten. Aber das wusste er auch nicht. Also besorgten wir
einen
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