Falsche Brüder
waren aber sehr viele, beängstigend viele. Sie schwebten in
zwei Reihen zehn, zwanzig Meter über dem Wald, links und
rechts von der Straße, und sie würden so den vernichtenden
Scherenstrahl einsetzen, je einen Strahl von einem der
Schweber links und rechts. Würde der Schnittpunkt auf die
Fahrzeuge gelenkt, blieben von diesen nur noch bis zur
Unkenntlichkeit verschmorte Trümmerhaufen zurück. Die
Wracks würden explodieren, die Verluste wären ungeheuer.
Die Schildkröten kamen langsam, als trauten sie der Ruhe auf
der Straße nicht.
Ich zauderte nur einen Augenblick. Noch wäre es möglich
gewesen, den Soldaten zu befehlen, die Fahrzeuge zu verlassen
und sich im Wald in Sicherheit zu bringen, mit einigen Sprüngen
war das getan. Selbst ein Blitzfeuer würde nur wenig Schaden
anrichten. Dann aber befahl ich, und diesmal forsch: „Batterie
eins bis drei flachster Anstellwinkel, seitlich auf anrückende
Kolonnen ausrichten. Schnellfeuerbereit! Batterien vier, fünf in
Reserve, gleiche Einstellung!“ Ich sprang auf den ersten Werfer,
musterte die Geschütze. Die Mannschaften hatten begriffen. Die
Rohrbündel, die in Fahrtrichtung wiesen, standen beinahe
horizontal und leicht zu den Waldrändern hingedreht.
Ich blickte in die Gesichter der Kanoniere. Sie zeigten
gespannte Aufmerksamkeit, Nervosität, Vertrauen auch einige,
Angst die wenigsten. Alle standen auf ihren Posten – auch die in
Zivilkleidung aus dem Bus, die eigentlich ihren Heimaturlaub
bereits angetreten hatten. Ich registrierte das alles mit
Befriedigung. Nach der Flucht dieses Kladivo und der anderen
hätte ich Schlimmes erwartet. Dann konzentrierte ich mich nach
vorn. Das erste Schweberpaar hatte sich auf hundert Meter
genähert und glitt weiter langsam auf die Kolonne zu. Neun oder
zehn solcher Paare insgesamt, also zwanzig Halbkugeln, näherten
sich.
Plötzlich heulte hinter mir von einer Folgebatterie eine Rakete
los. Ich zuckte zusammen, zischte: „Verdammt!“, hob das
Sprechfunkgerät an den Mund. Doch einem die
Nerven
durchgegangen! „Ruhe!“, schrie ich.
Es gab zum Glück keine störende Reaktion. Die Granate
verröchelte in der Ferne. Doch dann zeigten die Angreifer auch
Nerven, ich jedenfalls deutete es so: Aus der linken, vorn
fliegenden Maschine brach der Vernichtungsstrahl,
offensichtlich vorzeitig eingeschaltet, für mich das Zeichen, dass
ich richtig vermutet hatte. Sie kamen, um zu vernichten! Unsere
Gegenwehr ist nichts als Selbsterhaltung… Der Strahl jedoch
zog, noch immer fünfzig Meter vor dem ersten Werfer, Blasen
aus dem Asphalt.
Diese Sekunden wurden schier unerträglich. Ich mahnte erneut
zur Besonnenheit, wies, der Splitterwirkung wegen, darauf hin,
unbedingt in Deckung zu bleiben.
Dann überflog das erste Schweberpaar die Feuerlinie der
vordersten Batterie, meiner Batterie! Es befand sich gefährlich
nah, an der Unterseite konnte ich Einzelheiten ausmachen. An
der rechten Halbkugel sprang eine Klappe auf, gleich würde dort
der Strahl hervorbrechen und, vereint mit dem anderen, sein
zerstörerisches Werk aufnehmen.
„Feuer!“ Meine Stimme klang heiser, aber das registrierte im
Aufjaulen der Geschosse und in der eigenen Anspannung und
Angst niemand mehr, erst recht nicht im Höllenspektakel der
Detonationen in unmittelbarer Nähe.
Ich lag zusammengekrümmt im Winkel zwischen Fahrerhaus
und Plattform. Um mich herum prasselten Splitter, ich hörte das
Krachen von stürzenden Bäumen, dumpfe
Schläge,
Folgeexplosionen, Aufpralle der zerfetzten Flugzeuge der
Fremdlinge.
Wie verabredet schwiegen die Batterien nach der ersten
Schnellfeuersalve. Sofort richtete ich mich auf. Ich konnte in
Rauch, Staub, Ammoniakgestank und rieselnden Blättern nicht
viel ausmachen, nur, dass unmittelbar vor mir keine Schweber
mehr in der Luft standen und dass die folgenden einen tödlichen
Fehler begingen: Sie stiegen aus dem Brodem heraus senkrecht
empor, wollten so möglicherweise aus der Schusslinie, die durch
die Raketenschweife sicherlich überdeutlich kenntlich gemacht
worden war. Aber diese stammten von den ersten drei Batterien!
Kaltblütig nutzte ich die Chance. „Achtung!“ Meine Stimme
vibrierte in verhaltenem Frohlocken. „Sämtliche Mittelgeschütze
Schnellfeuer. Feuer frei!“
Ich wähnte die gegnerischen Flugzeuge genügend weit entfernt,
ging nicht in Deckung. Ich hörte auch kaum das infernalische
Heulen und Fauchen der eigenen Batterien, mich schreckten
nicht die nur wenige Meter über
Weitere Kostenlose Bücher