Falsche Brüder
abgerissener Ast, kein Teil,
das sich nun erst löste, auch keine wallende Qualmwolke
gaukelte dort, es war ein Ball von etwas weniger als einem Meter
Durchmesser, der dort taumelte.
Ich nahm ein Gewehr auf, sprang vom langsam fahrenden
Fahrzeug und näherte mich diesem Etwas, indem ich Bäume und
herumliegende Trümmerstücke als Deckung benutzte. Ich hatte
mich nicht getäuscht: Einer jener grünen Bälle, ein Engelchen
im Schutzpanzer also, torkelte hilflos direkt auf dem
Waldboden.
„Ha, ist aus mit dem Schweben“, dachte ich schadenfroh, und
zum ersten Mal stellte ich fest, wie ohnmächtig sie doch waren,
diese scheinbar übermächtigen, grausamen Eindringlinge, wenn
man sie ihrer Hilfsmittel beraubte.
Ich näherte mich der Kugel, das Gewehr entsichert im
Anschlag. Ich wusste, dass das Projektil die Schutzhülle
durchschlagen und das Wesen töten würde, war mir aber nicht
im Klaren, ob das vor mir schwankende Knäuel wirklich so
hilflos war, wie es den Anschein hatte.
Schließlich hatte ich mich bis auf zwei Meter herangepirscht.
Ich blickte zurück zur Straße, mehrere Soldaten zerrten mit
Hauruck an einem großen Blech.
Ich ergriff einen Ast und hakte aus dem Schutz eines Baumes
hervor nach der Kugel. Keine Reaktion, die ich auf
mein
Einwirken zurückführen konnte. Nach wie vor taumelte das
Ding, als fände es nicht die Kraft, aus der flachen Mulde, in der
es lag, wieder herauszukommen.
Da trat ich hervor, verhielt einen Augenblick, doch dann
kickte ich mit dem Fuß gegen den Körper.
Jetzt verhielt sich die Kugel plötzlich ruhig. Sie fiel gleichsam
in die Kuhle und bewegte sich nicht mehr. Auch ich verharrte.
Als jedoch nichts weiter geschah, griff ich zu, und ich war
erstaunt, wie leicht sich der Ball aus seinem Bett kollern ließ.
Ich rief einen Soldaten, was mir nicht leicht fiel, weil die
Motoren der Fahrzeuge einen großen Lärm erzeugten.
Der Soldat zögerte zunächst, dann packte er mit zu, und wir
rollten das Etwas auf die Straße.
Gemeinsam hoben wir den Ball auf einen Munitionswagen, und
ich deckte ein Tarnnetz darüber, das ich an den
Spanten
festzurrte.
Wenig später konnten wir in normalem Marschtempo gegen
Norden fahren, wir hatten das Trümmerfeld hinter uns, und
wieder einmal fragte ich mich, ob wir gerade das alles wirklich
erlebt hatten oder ob ich träumte, vielleicht eingeschlafen war
während der monotonen Fahrt. Wenn ich aufwachte, würden
neben mir Kladivo mit verbissenem Gesicht und in der Ecke der
junge Offizier hocken.
Nach einer halben Stunde erreichten wir den Ort, an dem wir
am Vorabend die Halbkugeln abgeschossen hatten. Ein
Truppentransporter stand dort, und einige Soldaten bewegten
sich neugierig zwischen den Trümmern. Ich ließ anhalten.
Als ich vom Fahrzeug gesprungen war, kam ein Offizier auf
mich zu, im gleichen Rang wie ich.
Mit einem Blick stellte ich fest, dass ich äußerst schmuddlig
und ramponiert aussah. Nichts hatte ich an mir, was mich als
Chargierten kennzeichnete.
Ohne zu grüßen, fragte der Ankömmling: „Was war das für ein
Geballer da vorn? Es muss jemand wahnsinnig sein. Um ein
Haar wären wir in einen Raketenhagel geraten.
Welche
verdammten Idioten…“
Mehrere Soldaten waren zu mir getreten. Sie hatten
geschwärzte Gesichter, schmutzige Uniformen, Brandflecke.
Und ich wusste, dass ich mindestens ebenso aussah.
Auch der Frager wurde stutzig. „Wart ihr das etwa?“, fragte er.
Und neben dem Ärger konnte man auch Verwunderung aus
seinen Worten heraushören.
„Ja – und das auch.“ Ich wies auf die Trümmer der Schweber.
„Igor Walrot, Oberleutnant. Ist das euer Fahrzeug, und mehr
Leute seid ihr nicht? Ich muss euch ersuchen, einige Verwundete
mit nach Süden zu nehmen und Leute, die vordem in dem Bus
fuhren. Wenn wir euch Unannehmlichkeiten gemacht haben
sollten, tut mir Leid, wir wurden angegriffen.“
„Was – hier im Hinterland? Und ihr habt euch… Das sind
doch nicht etwa welche von – denen…?“ Jetzt wies er auf die
Trümmer.
„Der Bus und der Jeep sind von uns.“ Ich lächelte. „Also –
was ist, nimmst du die Leute mit?“
Der andere war noch nicht fertig. Er musterte mich, die
herumstehenden Soldaten, die Kolonne. Auch den Fahrzeugen
waren die Spuren der Kämpfe anzusehen. Splitter hatten Löcher
gerissen, der Lack wies Brandflecke auf, Blätter und Äste lagen
zwischen den Rohrbündeln. „Ihr müsst verrückt sein“, murmelte
der Offizier. „Ja, ja, natürlich!“ Er hatte es auf einmal
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