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Falsche Brüder

Falsche Brüder

Titel: Falsche Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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Igor?“ Fred schrie es entsetzt.
„Wir werden hingerichtet“, schrie ich zurück.
In Freds Augen stand Panik. „Ich nicht“, murmelte er. „Ich
nicht. Das können sie mit mir nicht machen! Ich doch nicht!“
Die letzten Worte brüllte er, und ich sah, dass sich der Schub in
seinem Rücken verstärkt hatte.
Mir war es erbärmlich zumute. Langsam drückte man uns auf
den Container zu. Ich sah zu Nemo. Er hielt noch zwei Setzlinge
in den Händen, die drückte er mit weißen Knöcheln, dass der
Saft aus den Pflanzen tropfte. Seine Augen gingen unstet, sein
Körper schüttelte sich vor Angst. „Verdammt noch mal“, dachte
ich, „soll es so zu Ende gehn, sollten wir uns hinschlachten
lassen ohne Gegenwehr?“ Ich sah fieberhaft rundum. Sicher
standen wir inmitten der vereinten Felder unserer achtkugeligen
Eskorte. Da war kein Entweichen.
Ich hatte mich oft gefragt, weshalb haben sich auch in der
menschlichen Vergangenheit Hunderttausende von einer Hand
voll Feinde abschlachten lassen, hinfuhren und abschlachten.
Kaum einer hat sich gegen die Waffen geworfen, schon um das
Entsetzen zu verkürzen. Und ich jetzt? Ich spürte ein Klappern
am ganzen Leib, Stuhldrang und Gänsehaut. Und ich wusste, ich
würde den Mut nicht haben, mich zu irgendetwas aufzuraffen.
Und da gab es noch die Hoffnung – hatten jene Altvorderen sie
am Ende auch? –, Hoffnung bis zur letzten Minute, es könne
etwas eintreten, was das Schreckliche nicht geschehen ließe.
Und noch war es hier auch nicht soweit. Von links, vom Wald
her, trieb man die Bauleute, offenbar in der Absicht, sie zu
zwingen, der Exekution beizuwohnen, möglicherweise als
Exempel.
Man stellte uns vor dem Container auf. Nemo biss sich auf die
Lippen, er hatte bisher kein Wort verlauten lassen. Fred hingegen
murmelte ständig wirres Zeug, aus dem nur immer hervorklang,
dass man mit ihm so etwas nicht machen könne. Dann lachte er
wie irr auf. „Sie tun ja bloß so. Dass ich nicht eher darauf
gekommen bin. Wenn ihr hinüber seid, lassen sie mich in
Frieden… Ha!“ Ab diesem Zeitpunkt drehte sich sein Gemurmel
um diese Erkenntnis.
Ich hörte weder richtig zu, noch gab ich etwas auf sein
Gestammel. Es gelang mir, die Angst etwas zurückzudrängen.
Ich überdachte hastig, was wohl Sven erreichen könnte, wenn
er meinen Ruf ordentlich verstanden hatte.
Ich begann, mein Umfeld wieder klarer zu betrachten.
Zwei Schweber waren aufgestiegen und umkreisten im Tiefflug
die Basis. Also schrieben sie meinen Hilferuf nicht gänzlich in
den Wind.
Dann kam die Ansprache.
Ich hätte lachen können, wenn der Anlass für uns nicht so
schrecklich gewesen wäre. Ich sah nicht, wer die Ansprache
hielt, aber der Haltung entnahm ich, dass es nur einer der
Unbemäntelten sein konnte.
Man habe in der Geschichte der Menschheit studiert und
erfahren, dass es üblich gewesen sei, wollten sich die Herrscher
unbequemer oder schuldig gewordener Zeitgenossen entledigen,
dass dieses bei verdienstvollen Menschen auf eine ehrenhafte
Art und Weise geschah. Wir seien in zweierlei Weise schuldig.
Erstens seien wir unbrauchbar geworden, hätten Einblick in
einige Dinge erhalten und müssten aus diesem Grund sterben.
Zweitens – und das ließ mich aufhorchen – hätten wir dazu
beigetragen, dass wesentliches Wissen verraten worden sei,
indem der Gegner einen Computer entwenden konnte. Beide
Delikte führten unweigerlich zum Tode. Da wir ihnen aber bei
der Veredlung des Bodens geholfen hätten, solle uns ein
ehrenhafter Tod zuteil werden. In diesem Punkt wolle man sich
den Sitten der Menschen anpassen.
Ich wusste nicht, ob das Hohn war oder ernst gemeint sein
sollte, es kümmerte mich auch nicht. Durch die Lächerlichkeit
der Zeremonie fand ich wieder ein wenig zu mir selbst. Sollte er
nur reden. Wenn Sven noch irgendeine Chance für uns sah, dann
wurde die größer, je mehr Zeit ihm zur Verfügung stand. Was
uns nützen würde, wäre Tumult, sie müssten – wie schon einmal
– ihre Aufmerksamkeit von uns abziehn, damit vielleicht die
Felder verrückten oder sonst was mit ihnen geschehen konnte.
In wenigen Sekunden wäre die Bucht, das Wasser, zu
erreichen. Mit ein wenig Glück könnte man hinter der Uferlinie
verschwinden, wegtauchen, sich verbergen, vielleicht in Svens
Feuerschutz gelangen. Aber wir waren außerstande, auch nur den
kleinsten Tumult anzuzetteln.
Die Rede war zu Ende, abrupt und überraschend. Und wir
standen noch immer vor dem Container, festgenagelt

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