Falsche Brüder
durch die
unsichtbare Kraft, und kein Wunder war geschehen. Erneut griff
nackte Angst nach mir.
Fred war der erste, den sie packten.
Als er das spürte, schrie er zunächst unartikuliert. Dann begann
er wieder, dass man es mit ihm nicht machen könne. Und das
ließ uns aufhorchen: „Ich habe euch von dem Bombardement
berichtet, habe euch den Partisan aus der Baubrigade genannt,
und ich habe euch gesagt, dass ich das Geblitze unlängst im
Gewächshaus für gewollt herbeigeführt hielt. Und dieser da“, er
stemmte seinen Arm gegen das Feld, um auf mich zu zeigen,
„war über Stunden nicht anwesend. Ich habe euch geholfen…“
Aber es nützte nichts. Sie gingen auf sein Geschrei nicht ein,
sondern hoben ihn im Feld auf den Container.
Fred verlegte sich aufs Flehen, stieß ein Gewinsel nach Gnade
aus. Es war widerlich. Dann erging er sich in wüsten
Beschimpfungen, bettelte wieder. Zwischendurch aber schrie
er seinen Verrat heraus.
Ich empfand nur Abscheu, keine Regung des Mitleids, und
Fred gab mir mit seinem unwürdigen Verhalten Mut.
Als sie ihn senkrecht oben hatten – offensichtlich bereitete es
doch Mühe, das Feld balancierend auszusteuern –, erscholl die
mächtige Stimme noch einmal. „Mensch, nun bete! Bete zu
deinem Gott!“
Nun hätte ich doch beinahe laut aufgelacht. An welcher Art
Beschreibung einer Hinrichtung mögen sie wohl geraten sein?
Fred schrie, flehte, beschimpfte weiter.
Plötzlich ein Geknalle wie von hundert Peitschen. Es zuckte
blau über den Platz.
Freds letzter Schrei brach in einem Röcheln ab. Der Körper
schrumpfte zusehends, Dampf stieg auf, und dann stürzte er
hinter den Container.
An der Reihe war Nemo.
„Mach’s gut Igor“, presste er zwischen den
zusammengebissenen Zähnen hervor. Dann stieg er auf das
Podest, ließ sich nicht durch das Feld schieben.
Aber noch hatte er nicht sein Gesicht den Versammelten
zugedreht, noch hatte keiner von den Henkern gefordert:
„Mensch, nun bete!“ als plötzlich zwei Detonationen in kurzer
Folge und immenser Schärfe mich zusammenfahren ließen. Ich
sah noch, wie Nemo, offenbar vom Haltefeld befreit, hinter dem
Container verschwand, dann warf ich mich selbst hin, federte
aber sofort auf und rannte, gebückt und so wie ich noch nie
gelaufen bin, auf die Bucht zu. Auch von mir waren die
Haltefelder abgefallen.
Um mich her prasselten Splitter und Blechfetzen, ich stieß
gegen eine grüne Kugel, die im schrägen Flug auf den Boden
prallte. Es konnte nicht anders sein. Sie hatten die beiden
Schweber, die ich natürlich nicht mehr beachtet
hatte,
heruntergeschossen. Das war mehr als Tumult, das war Angriff!
Ich tauchte ins Wasser, schwamm mit raschen Stößen. Salven
von Maschinengewehren prasselten auf, die sich mit
den
Detonationen von Handgranaten mischten.
Ich frohlockte. Niemals würden die Grünen, und wenn sie
noch so viele von ihresgleichen züchteten, die Menschen
besiegen!
Als ich von der Bucht hinter den rechten Uferstreifen bog,
wurde ich ergriffen und in ein bereitstehendes Boot gezogen, das
fast lautlos sofort Fahrt aufmachte.
„Nemo!“, erinnerte ich außer Atem.
„Ist wahrscheinlich nach der anderen Seite. Dort steht auch ein
Boot“, antwortete jemand, den ich nicht sah, weil ich bäuchlings
auf dem Boden des Bootes lag.
Hinter uns erstarb plötzlich das Feuer der Menschen. Umso
mehr kam Blitzgeknatter auf, und nachdem ich mich aufgerichtet
hatte, sah ich, dass die beiden Männer im Boot besorgt nach
oben blickten. In der Tat würde nun bald Gefahr aus der Luft
drohen.
„Wir haben es gleich geschafft!“, sagte beruhigend der eine, der
wohl meinen Blick wahrgenommen hatte.
Nach einigen Minuten erreichten wir eine Stelle, an der ein
schmales Fließ in den See mündete, das derart mit
Brombeergestrüpp und Schilf verkrautet war, dass es vom See
her bestimmt nicht ausgemacht werden konnte.
Der Mann im Bug bog vorsichtig die Schilfhalme zur Seite,
bevor er seinem Begleiter das Zeichen gab, das Boot mit dem
Ruderblatt vorwärts zu treiben.
An unseren Stellungen hatte sich in diesen Wochen in der Tat
nichts verändert.
Natürlich waren die Menschen nicht tatenlos geblieben. Der
Verteidigungsgürtel strotzte vor Waffen, mittlerweile gab es
Raketen größeren Kalibers, an jedem Frontabschnitt standen die
nachgebauten Blitzwerfer einsatzbereit, die Truppe hatte man
diszipliniert, sie sah einer Armee ungemein ähnlicher als zu dem
Zeitpunkt, da ich aufbrach.
Die Usurpatoren hatten ihre Flüge über der
Weitere Kostenlose Bücher