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Falsche Froesche

Falsche Froesche

Titel: Falsche Froesche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Schoenthal
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Mutter drei Mal an. Nein, nein, kein Notfall, lächelt er, das sei normal. Während der Gespräche steht er stramm und wippt auf die Zehenspitzen. Wo er warum war, rapportiert der Sohn, und wo er weshalb hinzugehen gedenkt. Berichtet, dass er Wäsche gewaschen, Onkel Hugo zum Geburtstag gratuliert und heute keine Blähungen erlitten hat. Entsprechende Details, so entnehmen Sie seinen Antworten, erfährt er vom anderen Ende der Leitung. Ihnen wird schmerzlich bewusst, dass Sie mit Ihrer Mutter nie eine derart innige Beziehung pflegten.
    Da Sie sich mittlerweile endgültig in das Goldstück verliebt haben, erschüttert die Nachricht von Mamas chronisch schlechtem Gesundheitszustand. Unter welcher Krankheit die Arme leidet, ist nicht zu eruieren. Sie sei sehr schwach, seit vielen Jahren, extrem gebrechlich, womöglich moribund. Aber wahnsinnig tapfer. Niemandem möchte sie zur Last fallen, am wenigsten ihrem Sohn.
    Bald folgt der große Tag. Sie haben sich qualifiziert, der Mutter Ihres Lovers vorgestellt zu werden. Treffpunkt gediegenes Restaurant. Während er die alte Dame von zu Hause abholt, kommen Sie frühzeitig, wählen einen Tisch mit greisinnengerecht gepolsterter Sitzbank und behalten den Eingang im Auge. Die Frau, die am ArmIhres Geliebten das Lokal betritt, ist eine robuste kleine Madame mit pechschwarz gefärbten Haaren und pinkem Lippenstift. Auf dem Weg zum Tisch stellt sie mit lauter Stimme tadelnd fest, dass es nach Küchenfett stinkt. Sie erheben sich zur Begrüßung: Fester Händedruck, stechender Blick, penetrantes Parfüm.
    Die Konversation verläuft weitgehend unter Ausschluss Ihrer Person. Die liebe alte Dame, auf die Sie sich freuten, hat etwas Lauerndes. Die wenigen Worte, die sie an Sie richtet, sind von investigativem Charakter und geben Ihnen das Gefühl, sie suche nach dunklen Punkten in Ihrem Leben und Ihrem Wesen, um den Sohn später, unter vier Augen, warnen zu können. Dass sie nach zwanzigminütigem Aufenthalt angesichts einer plötzlichen Schwäche nach Hause gebracht zu werden wünscht, kommt gelegen. Sie betrachten die beiden, wie sie Arm in Arm von dannen ziehen, und verspüren Unbehagen. So sehen alte Ehepaare aus.
    Gottlob haben Sie sich die Feindseligkeit nur eingebildet. Denn nächste Woche sind Sie zum traditionellen sonntäglichen Mittagessen, das die potenzielle Schwiegermutter sonst nur mit dem Sohn zu begehen pflegt, eingeladen. Nach einem erstklassigen Schweinsbraten mit Kraut und Knödeln übersiedelt man zum Kaffee in das mit Spitzendeckchen übersäte Wohnzimmer. Unter exakten Anweisungen schleppt Ihr Lover eine Batterie von Fotoalben an. Mama nimmt neben Ihnen auf der Couch Platz. Jetzt wird es richtig lauschig.
    Die Hintergründe wechseln, während sich das Motiv Mutti mit Bubi standhaft durch die Alben und die Jahre zieht. Die beiden am Strand, vor einer Pyramide, im Museum. Lachend winken sie aus einer Gondola, kuschelnauf dem Liegestuhl, plantschen im See. Auf manchen Fotos ist, ein wenig abseits, selbst wenn er direkt neben der Frau und dem Jungen steht, ein Mann zu sehen. Sehr groß, sehr attraktiv, sehr dezent. Ach ja, Papa, seufzt sie und schüttelt vorwurfsvoll den Kopf, er ist, Gott hab ihn selig, viel zu früh von uns gegangen.
    Während sie blättert, gibt die Mutter Erinnerungen zum Besten. Ihr Söhnchen war ein Musterknabe. Brav und fleißig in der Schule, hilfsbereit und gehorsam daheim. Sogar in der Studentenzeit, wo man sich wegen Alkohol und Drogen besondere Sorgen macht, lieferte der Gute keinen Grund zur Klage. Wenn sie, manchmal doch misstrauisch, man hört und liest ja Schauriges, gegen Mitternacht bei dem Freund, zu dessen Party das Kind geladen war, zwecks Kontrolle anrief, war er immer dort. Und kam auf ihr Ersuchen prompt nach Hause.
    Da Sie im Erdboden versinken würden, wenn Ihre Mutter derartige Geschichten verlautbarte, blicken Sie zaghaft in Lovers Richtung. Hoffentlich ist ihm die Situation nicht allzu peinlich. Keineswegs, stolz und zufrieden grinst er vor sich hin.
    Sie unterdrücken Ihr instinktives Unbehagen. Vielleicht ist das hier der Normalfall. Man muss nicht wegen schlechten Betragens von der Schule fliegen oder unter dem Vorwand, bei einer Freundin Mathematik zu büffeln, im Kino mit diversen Buben schmusen oder sich bei Partys wild betrinken. Hätten auch Sie auf Ihre Mutter gehört, wäre Ihnen manch grober Unsinn erspart geblieben.
    Dieser Zug ist abgefahren. Doch erhalten Sie nun die Chance, nachzuholen, was Sie in

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