Falsche Froesche
Ihre Erzählungen bis ins Detail gespeichert hat, nicht verkraftet.
Jedes Treffen, jedes Telefonat, ja eine harmlose »Wie geht’s dir?«-SMS führt zu einem Tobsuchtsanfall. Was Sie von diesem Schwein noch wollen, außer, ja er weiß schon, was Sie wollen. Warum gehen Sie nicht zurück zu ihm. Sofort. Die Türe ist offen. Sobald der Wüterich, dessen Gesicht mittlerweile die Farbe seiner Haare angenommen hat, eine Brüllpause einlegt, erklären Sie in ruhigen Worten, dass diese Männer, auch wenn sie sich, genau wie Sie selbst, damals nicht fein verhielten, keine Schweine sind, in deren Bett Sie springen wollen, sondern wertvolle Freunde, von denen man im Leben nicht so viele hat.
Bald schenkt er auch Ihren platonischen Bekanntschaften sein Misstrauen. In allem, was keine Frau ist, ortet er einen potenziellen Liebhaber. Als er Ihnen ein Verhältnis mit einem deutlich schwulen Arbeitskollegen unterstellt, beginnen Sie am Verstand des Guten zu zweifeln und fragensich, wie lange es dauert, bis er Ihre Schulfreundin als lesbische Geliebte enttarnt.
Eines Tages spüren Sie eine Grippe herannahen. Wie immer, wenn Sie das Bett hüten müssen, besorgen Sie zuvor Medikamente, Verpflegung und einen bunten Blumenstrauß. Die Vase platzieren sie zwischen Zeitschriften und Büchern auf dem Nachtkästchen, das fördert die Genesung. Sie dumme Kuh. Logisch, dass der Krankenbesuch Ihres Liebsten im Fiasko endet. Er betritt Ihr Schlafzimmer, sieht die Blumen und tobt. Unter Gebrüll zertrampelt er den seinerseits mitgebrachten Rosenstrauß und stürmt von dannen.
Nach dem gelungenen Abgang bedenkt er Sie täglich mit telefonischen Liebeserklärungen, was nichts daran ändert, dass Sie auf weitere Visiten verzichten. Zur Feier der Gesundung ziehen Sie ein Treffen mit Ihrer Freundin vor. Üblicherweise schalten Sie beide im Restaurant die Handys ab. An diesem Abend jedoch möchte sie, deren kleine Tochter von einer neuen Babysitterin beaufsichtigt wird, für den Notfall erreichbar sein. Da Ihr verhaltensauffälliger Geliebter nicht unter Aufsicht steht, lassen auch Sie Ihr Handy an. Im Vergleich zu einem Psychopathen, der irren Blicks das Lokal stürmt, um Sie in flagranti zu ertappen, scheint Telefonterror die bessere Wahl.
Tatsächlich ruft er an. Bei Ihrer Freundin, die den Apparat übergibt. Er sei nicht durchgekommen, hören Sie, Ihr Handy habe offenbar keinen Empfang, weshalb er diese Nummer probiert habe. Er wolle nicht lange stören, nur fragen, wie es Ihnen geht, und einen schönen Abend wünschen. Der miese Kontrolltrick widert Sie an. Dass Sie die Lüge durchschauen, zumal ein Freund fünf Minuten zuvorproblemlos durchgekommen ist und Ihr Telefon keinen verpassten Anruf anzeigt, behalten Sie für sich.
So sehr Ihr Unbehagen wächst, so wenig Sie seine kranken Aktionen verstehen, Sie lieben den Mann. Seine Leidenschaft, sein Lächeln, dieses schiefe, die Gier in seinen grünen Augen.
Um ihn von der paranoiden Eifersucht zu heilen, setzen Sie auf vertrauensbildende Maßnahmen. Statt Ihr Handy wie gewohnt in der Hosen- oder Rocktasche zu tragen, platzieren Sie es in Lokalen wie zu Hause gut sichtbar auf einem Tisch. Was er mit einem rätselhaften, vermutlich dankbaren Lächeln registriert. Und sich revanchiert, indem er in Ihrer Abwesenheit eingegangene Textnachrichten löscht. Wer weiß, wie viele. Sie kommen ihm auf die Schliche, als ein Freund fragt, wieso Sie seine SMS nicht beantworten.
Eines Nachmittags, Sie beide haben sich in Ihrer Wohnung auf einen kuscheligen Abend eingestellt, müssen Sie wegen einer kurzfristig anberaumten Besprechung ins Büro. Sie werfen Ihre Bedenken über Bord, Vertrauen hat Vorrang, und lassen den Schnüffler alleine zurück. Der Sie bei Ihrer Heimkehr drei Stunden später mit notdürftig im Zaum gehaltener Wut empfängt. Die Erklärung für Lovers Unmut liefert das Bücherregal, in dem Sie Ihre Fotoalben in neuer Anordnung vorfinden. Ein relativ harmloser Ausgang, angesichts der Wucht an Erinnerungen, die der Zartbesaitete zu verkraften hat. Er hätte die Fotos zerreißen können.
Um die Genesung einzuleiten, organisieren Sie eine Woche Intensivstation. Sie verbringen Ihren Urlaub, sieben Tage und sieben Nächte, nonstop bei ihm. In der Oase vonLiebe, Harmonie und Nähe wagen Sie, das Thema Eifersucht anzusprechen. Zerknirscht gelobt er Besserung. Bekennt, Ihnen Unrecht zu tun, und verspricht, seine grundlosen Attacken zu unterlassen.
Nach erfolgreich verlaufener Therapiewoche
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