Falsche Froesche
kindischer Dauerrebellionverabsäumt haben: die Teilnahme an einem harmonischen Familienleben.
HÖLLE
Als Mama eines Freitagnachmittags nach telefonischer Ferndiagnose meint, das Kind solle wegen eines Pickels an der linken Schläfe dringend den Hautarzt aufsuchen, und er tatsächlich einen kurzfristigen Termin in der Praxis vereinbart, sind Sie perplex. Zumal Sie einen Kinobesuch geplant hatten und vermuten, dass er den Film samt Pickel überlebt hätte. Doch zieht kein Argument, ferngesteuert führt er Mutters Befehl aus.
Eines schlimmen Morgens kehrt der Geliebte bleichgesichtig von der Toilette zurück und teilt mit, er habe Durchfall. Sie danken für die Information und fragen, nun schon leicht gereizt, ob er Mutti in Kenntnis gesetzt habe. Nein, sagt er gestrengen Blicks, das würde meine Mutter zu sehr belasten.
Wohl hüten Sie sich, ein einziges böses Wort zu verlieren, doch bleibt dem Sohn Ihre Gereiztheit bei jeder Erwähnung der Unantastbaren nicht verborgen. Statt Ihnen zu zürnen, bemitleidet der Edle Sie wegen Ihres kümmerlichen Familiensinns. Ja, mehr noch, er versteht Ihre Eifersucht auf diese enge Beziehung. Sie schlucken den Brocken und halten den Mund. Dass die Alte eine beinharte Tyrannin im Greisinnenkleid ist, kann man nicht dem Sohn anlasten. Tapfer lieben Sie weiter.
Nach einer erquicklichen Nacht in seiner Wohnung liegen Sie beide im Bett, als Sonntagfrüh um zehn Uhr an der Türe geläutet wird. Sekunden später, bevor man hätte aufstehen und öffnen können, steht die Wahnsinnige imSchlafzimmer. Sie wolle nicht stören, zwitschert sie, sie sei gleich wieder weg. Huscht in die Küche, klappert mit Geschirr. Ach ja, murmelt sie, immer ordnet er alles falsch ein, wie sein Papa, Gott hab ihn selig, der konnte sich auch nie merken, was in welches Regal gehört.
Während Sie nach dieser Invasion, erstarrt im Bett liegend, um Fassung ringen, beschleicht Sie der Verdacht, der Selige sei gar nicht tot. Papa ist nicht gestorben, sondern abgetaucht. Wahrscheinlich hat er sein Ableben fingiert, hinter einem Busch versteckt kichernd dem eigenen Begräbnis beigewohnt, und sitzt heute in Mexiko, in Afrika oder auf einer Karibikinsel und lässt sich die Sonne auf den Bauch scheinen.
Dass Muttis Zweitschlüssel nicht nur dazu dient, einem den Morgen zu versauen, erfahren Sie nach der Rückkehr vom gemeinsamen Liebesurlaub. Leicht war der gewagte Plan nicht durchzusetzen. Bis dato ist Ihr Lover nur alleine oder mit der Mutter im Gepäck auf Reisen gegangen. Mittels einer Mischung aus Engelszungen und Erpressung setzten Sie sich durch, und nach einem letzten Anruf Sekunden vor dem Boarding saß man schließlich Seite an Seite im Flugzeug nach Teneriffa.
Als Sie beide nach einer harmonischen Woche gebräunt, erholt und bester Laune Lovers Wohnung betreten, glauben Sie, sich in der Tür geirrt zu haben. Das Bett steht an einer anderen Stelle, Couch, Tisch und Sessel sind verschoben, die Bilder an den Wänden neu. Ihren fragenden Blick beantwortet er mit seligem Lächeln. Ja, das macht sie immer, die Liebe. Um ihm nach einem Urlaub die Heimkehr zu versüßen, gestaltet sie die Wohnung um.
Auf die Teilnahme am nächsten sonntäglichen Mittagessen verzichten Sie. Sollen die ihren öden Schweinsbraten alleine fressen. Ihre Disziplin ist erschöpft, Sie sind nicht länger gewillt, sich kranke Musterknabengeschichten anzuhören, zum zwanzigsten Mal Interesse an Mutter-Kind-Fotos zu heucheln und den selbst gemachten, staubtrockenen Mohnkuchen zu loben. Klar ist der selbst gemacht, so etwas Scheußliches findet man in keiner Konditorei.
Nach dem Besuch ruft er an, er muss Sie sofort sehen, es gibt wichtige Neuigkeiten. Als Sie den Garten des Lokals betreten, sitzt er schon da. Hochrotes Gesicht, verkrampfte Körperhaltung, stotternd weiß er nicht, wie er beginnen soll. Schließlich fasst er sich und präsentiert die Sensation. Seine Mutter meint, es sei an der Zeit zu heiraten. Ihm würde die Ehe gut tun, und sie wünscht sich Enkelkinder. Nach einer dramatischen Pause enthüllt er den absoluten Knüller: Sie beide können eine Wohnung in Muttis Haus beziehen.
Während er, der Ihren starren Gesichtsausdruck als freudige Ohnmacht interpretiert, Ihre Hände ergreift, um Sie zu beruhigen, toben in Ihnen panische Gedanken. Sie wollen nicht heiraten, schon gar nicht ihn. Sie wollen keine Kinder, jedenfalls nicht von ihm. Die Vorstellung, Tür an Tür mit der Schreckschraube zu leben, ist so grauenhaft, dass
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