Falsche Froesche
Fensterschikane. Dicht, ja. Falls Sie es schaffen, die Flügel zu schließen. Was dank der Schaumstoffdichtungen nur unter Aufbietung Ihrer gesamten Körperkraft gelingt. Kein Problem. Das elastische Material muss sich im Fensterfalz quasi einleben, Sie verstehen, dann schwindet der Widerstand.
Ende Mai, früher wäre sein Heim unpräsentabel gewesen, erfolgt die Einladung in Lovers Wohnung. Die Vorwarnung, es sei noch nicht alles ganz fertig, lässt Sie lächeln. Ein Perfektionist ist nie fertig. Voller Neugierde auf die Altbaumansarde, die er vor zweieinhalb Jahren nach langer Suche fand, läuten Sie an der Türe. Der Anblick hebt Sie aus den Schuhen. Leitern, Sägen, Bohrmaschinen. Ein schmaler Gehweg zwischen Farbkübeln, Pinseln, Spachteln. Den Boden bedecken verdreckte Plastikfolien,an den Wänden hängen Tapetenreste, von der Decke baumeln nackte Glühbirnen.
Beim Kaffee, den man in der Küche auf zwei relativ sauberen Kisten einnimmt, enthüllt er seine Renovierungsphilosophie. Oberstes Gebot: nichts überstürzen! Ein neues Heim will erwohnt, geatmet und bedächtig, Schritt für Schritt, gestaltet sein. Die Frage, welche Schritte hier in zweieinhalb Jahren getan wurden, verkneifen Sie sich. Hauptsache, in Ihrer Wohnung legt er ein flotteres Tempo vor.
So gerne Sie ihm glauben, ein Hauch schlechten Gewissens macht sich breit. Für Sie rackert er, verschönert Ihr Zuhause bei jedem Besuch und lebt selbst auf einer Baustelle. Die Einladung in seine Stammkneipe vertreibt Ihre Bedenken. Während Sie Staub von Rock und Strümpfen klopfen, so sauber war die Kiste nicht, schnappt er eine Tüte mit Kabelbindern. Nach dem Essen möchte er den Drahtsalat unter Ihrem Schreibtisch in Ordnung bringen.
Ach, was sind Sie glücklich. Über den ersten Mann in Ihrem Leben, der, statt Ratschläge abzusondern, Nägel mit Köpfen macht. Sobald er mit der Mansarde fertig ist, werden Sie sich revanchieren, indem Sie ihm bei der Auswahl von Stoffen, Lampen, Teppichen helfen. Wenn Sie auch nicht bohren oder sägen können, für Dekor haben Sie ein Händchen. Schön, wenn man einander perfekt ergänzt.
HÖLLE
Die Freude auf den Abend, da Sie sich mit Darlings Lieblingsgericht, Tafelspitz an Cremespinat, für die Reparaturarbeiten bedanken und ihn bitten wollen, das Werkzeuglageraufzulösen, stirbt beim Wort »Überraschung!«. Strahlend tritt er ein, in seiner Linken ein staubsaugerähnliches Gerät, rechts eine lange Plastikstange. Im Treppenhaus warten fünf große Säcke. Die Malfarbe, keucht er beim Anschleppen, bringe er morgen.
Nein. Ein Neuanstrich bedeutet Chaos. Und Dreck. Und Schwerarbeit. Bilder abhängen, Möbel verrücken, von Ihren heiklen Vorhängen ganz zu schweigen. Ach wo, alles kein Problem. Bilder, Spiegel und Flatscreen sind in zehn Minuten unten, die paar Schränke und Kommoden schiebt er mit links, die Vorhänge werden zur Fenstermitte gezogen und in Plastikfolie gepackt. Das Streichen geht ruckzuck. Ein Wochenende, und Ihre Wohnung blinkt wie neu.
Das Blubbern des Spinats reißt Sie aus dem Koma. Sie stürzen in die Küche. Zu spät. Die weiße Wand über dem Herd ist grün gepunktet. Obwohl, weiß, Sie sehen sich um, das war einmal. Graugelb trifft’s eher. Sie rühren im Spinat und wandern in Gedanken durch die Räume. Mit dem Schlafzimmer-Rosé waren Sie nie ganz glücklich. Das Bad, statt öde beige, käme in Blitzblau gut. Er hat wohl recht. Was wiegt ein Wochenende gegen eine picobello Wohnung.
Am folgenden Freitagmorgen erhält der Meister Schlüssel, da Sie − ehrlich gesagt nicht unbedingt − nach der Arbeit eine Abendveranstaltung besuchen müssen und er mittags starten möchte. Da will man nicht im Wege stehen.
Ihre Heimkehr erfolgt per Bauchlandung. Als Sie sich aufrappeln und schmerzenden Knies nach dem Lichtschalter tasten, durchzuckt ein Stromschlag Ihren linkenArm. Geschockt nehmen Sie auf dem Boden Platz. Das grausige Kribbeln lässt nach, doch graut Ihnen nun vor dem Anblick. Sie sitzen in einem Meer aus Pinseln, Spachteln und Kübeln. Zwei fremde Leitern grinsen Sie an. In der Ecke liegt eine Garnitur weißer Walzen mit orangeroten Griffen. Hätte er bloß den Scheißstaubsauger oder was das ist, über das Sie gestolpert sind, zur Seite geräumt.
Entschlossen, die Sache abzublasen, stapfen Sie auf dem schmalen, im Sammelsurium verbliebenen Weg Richtung Wohnzimmer. Er sitzt schlafend im Ledersessel. Als Sie Luft holen, um loszubrüllen, erwacht das Goldstück. Springt auf, umarmt
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