Falsche Froesche
zwei Tage später zum gemeinsamen Urlaub aufzubrechen.
Beim ersten Frühstück im Hotel am See zittert seine Hand dermaßen, dass er den Kaffee aus der ohnehin nur halb vollen Tasse verschüttet. Sie schauen krampfhaft in die andere Richtung. Er legt seine Hand auf Ihre, wartet, bis Sie ihn ansehen, und sagt, er wisse Bescheid. Ihm sei klar, dass Sie die Flaschen entdeckt hätten, und er wolle mit Ihrer Hilfe wirklich probieren aufzuhören.
Nach zwei Tagen heftiger Entzugserscheinungen verschwinden das Schwitzen und das Zittern. Sie beide wandern, schwimmen, reden, und trinken literweise Mineralwasser. Er verändert sich. Die verquollenen Augen schwellen ab, der Blick wird klar. Er riecht so frisch. Er geht aufrechter. Er ringt nicht nach Worten, redet flüssig. Kein Hauch von Misstrauen oder Aggression. Er ist ein anderer Mensch.
Erst jetzt, in stundenlangen nüchternen Gesprächen, lernen Sie ihn richtig kennen. Hinter dem zynischen Humor,den Sie durchaus schätzen, entdecken Sie ein Herz aus Gold. Einen Mann, der sich trotz bitterster Erlebnisse seine an Naivität grenzende Gutmütigkeit erhalten hat. Der hilft, ohne Dank zu erwarten. Der vertraut, wo er belogen wurde. Der verzeiht, egal wie sehr man ihn verletzt hat. Die Zeit ist reif, dass endlich einmal ihm geholfen wird.
Gegen Ende des Urlaubs strotzt er vor Optimismus. Er findet das Leben ohne Alkohol so schön, dass er nie wieder trinken will. Mit dem eingesparten Geld kann er endlich seine Wohnung renovieren. Und mit Ihnen ein tolles Wochenende in Rom verbringen oder Paris, wo immer Sie wollen. Auch wird er Bewerbungen schreiben, sein Job ödet ihn an, er will sich beruflich längst verändern, jetzt hat er die Kraft. Ja, es geht ihm gut. Glücklich, erholt und voller Freude auf die gemeinsame Zukunft kehren Sie beide nach Hause zurück.
Die Freude währt nicht lange. Drei Tage nach der Heimkehr säuft er wie gewohnt. Legt auf Ihr Flehen eine abstinente Woche ein. Um nahtlos erneut durchzustarten. Und wieder aufzuhören. Sie erkalten. An die Stelle der Hoffnung, die Sie aus den alkoholfreien Phasen schöpften, und des Mitleids, das Sie bei Rückfällen empfanden, treten Ekel und Verachtung.
Die Fahne, früher liebevoll als Symptom eines kleinen Lasters interpretiert, kotzt Sie an. Schwächling. Dass er nach Worten sucht, zeugt nicht vom Ehrgeiz, präzise zu formulieren, sondern von einer aufgeweichten Birne. Der Mann hat sich so blöd gesoffen, dass ihm die simpelsten Ausdrücke nicht einfallen. Statt in das nächste Glas sollte er seine rote Nase zur Abwechslung in ein Buch stecken.Und wenn er, dank der nötigen Dosis endlich in Schwung, seine Geschichten zum Besten gibt − das wiederholt sich doch alles, langweiliges, banales Gelaber. Die Freunde applaudieren, weil sie gratis saufen. Elendige Schmarotzer. Ein neuer Job, ja sicher. Mit dem aufgedunsenen Gesicht, den zittrigen Händen und der Fahne vom Vortag wird er beim Vorstellungsgespräch einen Bombeneindruck machen. Er kann froh sein, dass er überhaupt einen Job hat und nicht längst gefeuert wurde.
Sein ungläubiger Blick, als Sie ihm sagen, dass Sie nicht mehr können, zerreißt Ihnen das Herz. Sie hören weg, als er zum hundertsten Mal wiederholt, dass er Sie liebt und braucht und dass er es diesmal wirklich schafft. Sie haben ihn auch lieb, diesen herzensguten Menschen. Aber Sie werden nicht dabei sein, wenn er vor die Hunde geht.
Der Heimwerker
Wie ich mich fit halte?
Ich laufe jeden Tag Amok.
Hildegard Knef
FALLE
Er macht Nägel mit Köpfen.
HIMMEL
Wow. Ein Mann der Tat. Dass das mittlere Fach Ihres Küchenregals gefährlich schief hängt, war jedem Besucher aufgefallen. Doch während die anderen Herren sich mit dem Hinweis, Marmeladegläser, Essigflaschen und Tomatendosen könnten demnächst zu Boden donnern, begnügten, bietet er die prompte Reparatur des Missstandes an. Gleich beim nächsten Mal werde er das Holzbrett fachgerecht montieren.
Das hört man gerne. Zur Feier seines ersten Abends in Ihrer Wohnung, ein wenig auch zur Untermauerung des Versprechens, köpfen Sie eine Flasche Schampus. Nach einem herzlichen Prosit auf dem Balkon, hinter der kühlen Aprilluft winkt der Frühling, begehrt er einen Rundgang. Statt Ihren Verdacht, er peile das Bett an, zu erhärten, schreitet er in Zeitlupe von Raum zu Raum. Die aufmerksame Besichtigung schmeichelt. Hier steht ein Mann vom Fach. Der begreift, wie viel Liebe und Mühe Sie in die Einrichtung investiert haben.
Zwei Tage
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